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Phantasmen (German Edition)

Phantasmen (German Edition)

Titel: Phantasmen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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loszuwerden? Haven und die anderen zumindest schienen die Brandursache nicht in Zweifel zu ziehen. Vermutlich waren sie oben in der Luft zu beschäftigt mit ihren eigenen Passagieren gewesen. Abgestürzte Helikopter fingen Feuer, das lag auf der Hand.
    Ich strampelte noch heftiger, wollte den Unterarm des Probanden packen und die Knochenhand von meinem Gesicht ziehen, aber das ließ er nicht zu. Er kroch auf den Knien nach hinten, während er uns mit sich zerrte, immer tiefer zwischen die leeren Fahrzeuge auf der Straße. Auch Emma bewegte sich, aber zu meinem Erstaunen sah ich, dass sie die Beine anzog und streckte, als wollte sie ihn bei seinen Anstrengungen unterstützen. Sie kroch zusammen mit ihm rückwärts und ich verstand die Welt nicht mehr.
    Trotzdem gab ich nicht auf, packte seinen Unterarm fester und kam dennoch nicht gegen ihn an. Ich brüllte Tylers Namen in die Hand vor meinem Mund, hörte zum ersten Mal wieder schwach meine Stimme, fasste neue Hoffnung und wurde zugleich fast verrückt, weil ich nichts gegen die Kräfte dieses Wesens ausrichten konnte.
    Es gelang mir, einen letzten Blick auf die Absturzstelle zu werfen. Tyler wehrte sich erbittert gegen die Männer, die ihn festhielten, hatte aber keine Chance. Ich sah, dass er sie mit verzerrtem Gesicht anbrüllte, doch sie ließen nicht zu, dass er dem Feuer und den Geistern darin näher kam. Haven stand dabei und starrte ausdruckslos in die Flammenwand.
    Als mich der Proband hinter ein gelbes Taxi zog, konnte ich nicht mehr sehen, was weiter geschah. Ich hörte meine gedämpfte Stimme, atmete durch die Nase seinen furchtbaren Gestank ein und wollte einfach nicht glauben, dass Emma sich aufsetzte und auf mich einredete, ohne auch nur einen Fluchtversuch zu machen. Dumpf hörte ich ihre Stimme, verstand sie aber noch nicht, obgleich mein Gehör jetzt immer schneller zurückkehrte. Natürlich wollte auch ich keine Gefangene Havens sein, aber welche Chance hatten wir in den Straßen Manhattans, wo die Geister überall sein mussten? Und was war mit dem Probanden, der sich gerade noch wie ein Wahnsinniger gebärdet und den Helikopter zum Absturz gebracht hatte?
    Ich lag nach wie vor auf dem Rücken. Er kauerte hinter mir. Jetzt sah ich, dass er den Kopf hob und horchte wie ein Tier. Plötzlich nahm er die Hand von meinem Mund, presste meine Schultern aber weiterhin auf den Boden und verhinderte, dass ich mich aufrichten konnte.
    »Emma! Was soll –«
    Sie legte einen Zeigefinger an meine Lippen, sagte etwas, bemerkte, dass ich sie nicht verstand, und beugte sich an mein Ohr. »Er kann sie hören. Die anderen acht, in Whiteheads Hauptquartier. Er kann ihre Gedanken hören … Und ich höre seine.«
    Ich musterte ihr Gesicht, das nach den letzten beiden Tagen noch schmaler wirkte als sonst. Fremdes Blut klebte in ihrem Haar und auf ihrer Stirn, und sie hatte eine Prellung unterhalb des linken Auges.
    »Du hörst ihn?«, flüsterte ich.
    Als sie nickte, erinnerte ich mich an das, was Señora Salazar gesagt hatte: Während der Experimente in der Hot Suite hatten sich die Probanden eine Bezugsperson gesucht, mit der sie kommunizierten. Und dann sah ich wieder Emma vor mir, die während des Fluges an der Schlafkammer gelehnt hatte.
    Lärm schwoll an, aber meine Erleichterung darüber, dass ich nicht länger taub war, verging, als ich die Ursache erkannte: Havens Helikopter stieg in den Himmel, brach durch die schwarze Rauchsäule und donnerte über uns hinweg Richtung Innenstadt.
    Meine Gegenwehr erschlaffte und ich schloss für einen Moment die Augen. Tyler und die Söldner waren fort. Wir waren auf uns allein gestellt. Brücken und Tunnel mussten von Autos und Geistern blockiert sein, Boote gab es bestimmt keine mehr. Dass wir festsaßen, war mir klar, noch bevor der Proband sich von mir zurückzog und zuließ, dass ich mich hochstemmte.
    Ein paar Sekunden schwankte ich noch, während ich mich am Türgriff des Taxis hinaufzog und mich umschaute. Das Feuer auf der Uferpromenade brannte mit unverminderter Zerstörungswut, aber meine Aufmerksamkeit galt jetzt etwas anderem.
    In einiger Entfernung war die Welt voller Geister und blendend weiß. Hunderte, vielleicht Tausende standen zwischen den Autos, viele auch darin; ihre Schultern und Köpfe ragten weiß glühend aus den Dächern hervor. Bösartig lächelten sie der Sonne entgegen, die hinter den Hochhäusern von Downtown Manhattan aufging. Dort war der Hubschrauber zu einem dunklen Punkt geworden.
    »Oh

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