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Phantasmen (German Edition)

Phantasmen (German Edition)

Titel: Phantasmen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Gestank nach Schmutz oder Fäkalien, den man hätte erwarten können. Sie rochen abscheulich nach verwesendem Fleisch. Die Männer fluchten deswegen ohne Unterlass, nur Peterson hielt sich zurück.
    »Meine Herren«, meldete sich Havens Stimme lakonisch über Funk, »niemand hat behauptet, dass dies ein Spaziergang werden würde. Sie, Jacobs, hätten vielleicht lieber Florist werden sollen, wenn Ihnen das Aroma an Bord zu streng ist.«
    Der Angesprochene, ein Zweimetermann mit rasiertem Schädel und einer tätowierten Rose am Hals, blickte aus dem Fenster zum zweiten Hubschrauber hinüber und formte mit den Lippen ein stummes »Fick dich!«.
    »Warum riechen die so?«, fragte Emma. »Sie verwesen doch nicht.«
    »Wenn wir wüssten, warum sie noch leben, hätten wir vielleicht auch darauf eine Antwort«, entgegnete der Arzt.
    »Scheißzombies«, sagte Jacobs.
    »Nein«, widersprach Peterson, »genau das sind sie eben nicht. Sie sind nicht tot. Sie atmen, und ihre Lebensfunktionen unterscheiden sich kaum von deinen. Abgesehen davon, dass ihre Körper ungewöhnlich hohe Mengen von Adrenalin produzieren, was man von manch anderem hier an Bord zuletzt nicht behaupten konnte.«
    Jacobs zeigte ihm den Mittelfinger, eine fast sympathisch altmodische Geste, als säßen wir hier inmitten eines Haufens großer Jungs auf dem Weg zum Fußballspiel. Große Jungs mit großen Waffen. Und mit einer Riesenangst, vermutete ich, auch wenn sie die gut unter Kontrolle hatten.
    »Warum bleiben Sie bei ihm?«, fragte ich den Arzt. Mir war bewusst, dass Haven über Funk mithörte, aber ich war neugierig. »Er tut das für seine Tochter, oder? Aber Sie alle sind doch nicht nur wegen der Bezahlung hier.«
    Peterson und Jacobs wechselten einen Blick, aber diesmal war es ein anderer Söldner, der mir die Antwort gab: »Dieser Job hat eine Menge mit Idealen zu tun. Nicht unbedingt mit den politischen Idealen unserer Auftraggeber, aber mit unseren eigenen. Eines davon ist Treue. Wir haben eine Menge zusammen mit dem Colonel durchgemacht. Und er hat viel für uns getan, jedem von uns irgendwann mal die Haut gerettet. So was vergisst man nicht.«
    Actionfilm-Bullshit, dachte ich und erinnerte mich an den Mann in der Hot Suite, den Haven kaltblütig erschossen hatte. Jetzt lachte niemand mehr, es machte auch keiner eine Bemerkung. Einige nickten, die anderen blickten weiter stumm vor sich hin.
    Emma brachte ihren Mund ganz nah an mein Ohr. »Die meinen das ernst.«
    Ich sah noch einmal zu Peterson, der wortlos nach vorn durch das gewölbte Cockpitfenster starrte. Die schwarze Oberfläche des Hudson raste nur wenige Meter unter uns dahin. Zu beiden Seiten wurde der Fluss von bergigem Waldland begrenzt. Am Ufer zogen Ketten aus Lichtern vorüber.
    »Shit«, sagte Jacobs, »das sind alles Geister.«
    Emma stand von ihrem Platz auf, wurde von einem der Männer zurückgepfiffen, kümmerte sich aber nicht darum. Ungerührt kletterte sie von hinten auf den leeren Kopilotensitz.
    »Hey!«, rief der Pilot.
    »Ich will nur rausgucken.«
    Jacobs wollte aufstehen, um sie zurück nach hinten zu holen, aber Peterson schüttelte den Kopf. »Lass sie. Behalt lieber die da im Auge.« Er deutete über die Schulter, wo die beiden verschnürten Probanden wie Gepäckstücke lagen. Erst jetzt bemerkte ich, dass sie sich regten. Einer hatte den Kopf gehoben, aber ich konnte von meinem Platz aus nicht sehen, ob seine Augen geöffnet waren. Da waren zu viele Knie im Weg.
    »Kannst du ihnen nicht noch ’ne Spritze geben?«, fragte Jacobs.
    »Das war die höchste Dosis. Zwei davon so kurz hintereinander könnten sie endgültig umbringen.«
    Wieder meldete sich Haven aus den Lautsprechern. »Unsere werden auch wach. Doc, wie stark sind sie? Halten die Fesseln?«
    »Jemand, der so aussieht, dürfte aus eigener Kraft nicht mal die Augen aufmachen«, antwortete der Arzt. »Woher soll ich wissen, wozu sie noch in der Lage sind?«
    Einer der anderen Söldner schlug ein Kreuzzeichen.
    »Lasst sie nicht aus den Augen«, sagte Haven. »Falls sie gefährlich werden, bekommen sie die nächste Spritze.«
    »Das würde sie –«
    »Ich übernehme die Verantwortung«, unterbrach Haven den Arzt.
    »Wie Sie meinen, Colonel.« Peterson beugte sich vor und zog einen schwarzen Tornister unter seinem Sitz hervor.
    Vom Cockpit aus beobachtete Emma die Geisterschwärme an beiden Ufern. »Das sind so viele«, sagte sie.
    »Hier haben ’ne Menge Menschen gelebt«, entgegnete der Pilot.
    »Aber sie

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