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Phantasmen (German Edition)

Phantasmen (German Edition)

Titel: Phantasmen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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weiter links ankerte ein Flugzeugträger. Auf seinen Decks standen Geister wie die Passagiere beim Auslaufen der Titanic .
    Emma und ich lagen am Rand einer Fahrbahn, um uns drängten sich Fahrzeuge, Stoßstange an Stoßstange. Falls hier überall Geister waren, dann würde die nächste Smilewave vollenden, was dem Absturz nicht gelungen war.
    Ich war nicht aus eigener Kraft hierhergekrochen, dessen war ich ganz sicher, und ich glaubte auch nicht, dass Emma es geschafft hätte, sich selbst und mich dazu so weit vom Helikopter fortzuschleppen.
    Ich streckte eine Hand aus und berührte ihre Schulter, schüttelte sie leicht, aber nicht zu sehr, für den Fall, dass sie Knochenbrüche oder andere Verletzungen davongetragen hatte.
    Emma?
    Noch immer kam kein Laut über meine Lippen, aber im nächsten Moment erkannte ich meinen Irrtum. Ich konnte meine Stimme nicht hören, weil ich überhaupt nichts hörte. Ich war taub.
    Emma bewegte sich und ihre Augenlider flatterten. Sie war so schmutzig wie ich und da waren Blutflecken auf Tylers Lederjacke, die sie noch immer trug. Ich hatte vor unserem Aufbruch mit den Hubschraubern eine gesteppte Jacke bekommen, mehr hatte Keene nicht finden können. Auch sie war jetzt voller Blut.
    Meine Schwester drehte den Kopf und bewegte die Lippen, sagte etwas, das ich nicht verstehen konnte, und da überkam mich die Panik, dass ich nie wieder etwas hören würde, keine Stimmen, keine Laute, nicht mal meinen eigenen Herzschlag. Ich bohrte verzweifelt mit den Fingern in meinen Ohren, aber das half gar nichts.
    Als Emma den Kopf hob, hatte sie Tränen in den Augen, obwohl sie seit Jahren nicht mehr geweint hatte. Vom beißenden Rauch? Immerhin schien sie unverletzt zu sein, und allmählich dämmerte mir, dass auch ich ein Riesenglück gehabt hatte. Ich konnte Arme und Beine bewegen, noch ein wenig steif und schmerzhaft, aber es ging. Nichts gebrochen, was allein schon an ein Wunder grenzte.
    Aber wie hatten wir es unverletzt aus dem Wrack geschafft? Hatte noch jemand überlebt? Und warum zum Teufel hatte weder unsere Kleidung Brandlöcher noch waren wir auch nur mit Ruß beschmutzt?
    Wir mussten aus dem abgestürzten Helikopter entkommen sein, bevor das Feuer ausgebrochen war. Vielleicht hatte uns der Aufprall hinausgeschleudert – aber doch nie und nimmer fünfzig Meter weit und gewiss nicht nebeneinander in diesen Spalt zwischen den Autos.
    Und noch etwas wurde mir klar. Der Wind, der die Hitze und den Rauch zu uns herüberblies, hatte keinen natürlichen Ursprung. Hinter dem Feuer, auf einem Pier, der weit hinaus auf den Fluss ragte, war der zweite Hubschrauber gelandet und stand dort mit kreisenden Rotoren. Ich konnte ihn von hier aus kaum sehen, erst als ich länger hinüberblickte, erkannte ich den Umriss jenseits der Flammen. Nun entdeckte ich auch die Männer, die hinter dem Feuer hervortraten und in einem weiten Kreis um das Wrack ausschwärmten.
    Da war Haven, und dann sah ich Tyler mit gefesselten Händen, festgehalten von zwei Söldnern. Er wehrte sich und zerrte die beiden in Richtung der Flammen. Er schien unsere Namen zu schreien und da verstand ich endlich, dass er uns suchen und aus dem Feuer ziehen wollte – einem Feuer so heiß, dass es die Metalltrümmer zum Glühen brachte.
    Mein Verstand arbeitete noch immer wie in Zeitlupe. Trotz des Rauchs konnte ich atmen, immerhin – doch auch das änderte sich schlagartig, als sich im nächsten Moment eine Hand über meinen Mund legte und mich nach hinten zog, tiefer zwischen die Autos. Neben mir erging es Emma genauso, aber obwohl wir uns wehrten, saß die Hand auf meinem Mund so fest wie ein Schraubstock. Die Kraft, mit der ich auf dem Rücken über den Asphalt gezerrt wurde, war enorm.
    Gleich darauf sah ich ihn über mir, dürr und zottelig, mit tief liegenden Augen in einem Gesicht aus grauem Leder. Der Proband, der im Helikopter getobt hatte. Seine Pupillen waren dunkel und klar, Feuerschein glänzte auf den beiden Metallzylindern neben seinen Augenwinkeln.
    Ein paar Sekunden lang glaubte ich, dass er Emma und mich ersticken wollte. Aber dann begann ich endlich, alle Informationen zu verarbeiten. Die fehlenden Brandspuren. Unsere Entfernung zum Wrack. Die Tatsache, dass wir lebten und wahrscheinlich alle anderen tot waren.
    Der Proband hatte uns gerettet. Er hatte Emma und mich aus dem zerstörten Hubschrauber gezogen. Aber warum war das Feuer erst danach ausgebrochen? Hatte er es gelegt , um die Söldner ein für alle Mal

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