Phantastische Weihnachten: 24 Geschichten zum Weihnachtsfest (German Edition)
liebte. Und all jenen, mit denen man sich abgefunden hatte. Aus diesem Grund ließ der Herrscher seinen Blick in die Ferne schweifen. Nicht wissend, was die Zukunft brachte, doch eines stand für ihn fest: Das nächste Jahr würde noch aufregender werden als dieses. Und sei es nur, weil er jetzt die Familie um sich scharen konnte, die er sich immer gewünscht hatte.
5. Dezember
Vorzeitiges Weihnachten
Von Tilde Zug
„Großmama, erzählst du uns die Geschichte von Weihnachten?“
„Ach, die habe ich doch schon so oft erzählt.“
„Ja, trotzdem, die ist so schön!“
„Na gut, aber erst backen wir die Weihnachtsplätzchen fertig.“
Nach getaner Arbeit machten sie es sich in der Stube auf dem Sofa recht gemütlich, zündeten die drei Adventskerzen an und naschten schon die ersten frischgebackenen Plätzchen.
„Also“, begann die Großmama, „es war einmal eine Oma, die hatte eine Tochter, die mit ihrem Mann für zwei oder drei Jahre nach Fernost gefahren war. Ihr Mann war für diese Zeit dort dienstlich verpflichtet worden. Da sie jung verheiratet waren, durfte sie gleich mitfahren. Für die Oma, also die Mutter der jungen Frau, war das sehr schmerzlich, sie so weit weg zu wissen, für sie erst einmal unerreichbar. Sie machte sich viele und auch unnötige Gedanken: Wie wird es ihnen wohl ergehen dort in der Fremde? Wer wird ihnen helfen, wenn sie Unterstützung brauchen? In Gedanken weilte sie sehr oft bei ihnen.
Eines Tages kam ein Brief mit der Nachricht, dass die Tochter schwanger sei und im nächsten Jahr, im Januar, ihr Kind erwarte. Es ginge ihr soweit recht gut.
Ihre Mutter freute sich riesig über diese Mitteilung und hätte am liebsten ihre Tochter gleich in die Arme genommen, wenn das gegangen wäre.
Die Zeit verging recht langsam für sie, doch bald war es Winter geworden und soo lange dauerte es nun nicht mehr, dass bald Weihnachten und dann die Geburt bevorstand. Ihr graute jedoch vor den Feiertagen so allein und voller Sehnsucht. Das Herz wurde ihr schwer bei dem Gedanken, dass sie ihrer Tochter nicht hilfreich zur Seite stehen konnte.
Eines Tages, eine Woche vor Weihnachten, kam sie todmüde und erschöpft vom Weihnachtseinkauf zurück. Sie hatte die Straßenbahn genommen, war bis zur Endstation gefahren und musste nun noch ein Stückchen zu Fuß gehen. Ihr Heimweg führte sie an der Kirche vorbei, in der das Licht brannte. Als sie näher kam, drang ganz leise weihnachtliche Musik an ihr Ohr. Ab und zu ging sie sonntags zum Gottesdienst, um Gleichgesinnte zu treffen, oder in der Hoffnung, endlich mal wieder eine gute Predigt zu hören. Kurz entschlossen ging sie hinein, um ihre Füße etwas auszuruhen und ein bisschen der musica sacra zu lauschen.“
„Was heißt musica sacra, Großmama?“
„Das heißt Kirchenmusik.
Jedenfalls setzte sie sich in eine der hinteren Reihen und lauschte den Klängen. Es wurde für den Heiligen Abend geprobt. Die Musik war vertraut und klang sehr harmonisch, sodass sie spürte, wie sie sich langsam entspannte. Allerdings musste sie aufpassen, dass sie nicht einschlief. Als das Musikstück zu Ende war, probte man ein Krippenspiel. Ein Mädchen aus dem Kinderchor trat hervor und stieg auf die Kanzel. Mit einem glockenhellen Sopran sang sie ‚Vom Himmel hoch‘. Es klang wunderschön, und der Mutter in den Kirchenbänken wurde bewusst, dass sie für kurze Zeit nicht mit ihren Gedanken in der Ferne war. Doch bei der zweiten Strophe ‚Euch ist ein Kindlein heut gebor’n‘ spürte sie plötzlich einen Stich in der Herzgegend. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sie hatte auf einmal das Gefühl, dass diese Botschaft ihr galt!
Durch die tränenverhangenen Augen sah sie die kleine Sängerin genauer an. Sie sah auf einmal aus wie ein richtiger Engel.
Euch ist ein Kindlein heut gebor’n….
Mit einem Mal wusste sie, dass ihre Tochter Mama geworden war. Tränen voller Freude, Ungewissheit und Traurigkeit liefen ihr übers Gesicht, und sie musste nach Hause eilen. Innerlich noch sehr aufgeregt wurde sie sich immer sicherer, dass diese Botschaft ihr gegolten hatte. Sie fühlte sich kopflos und wusste gar nicht, wie sie sich zu Hause ablenken und beschäftigen sollte.
Draußen war es dunkel geworden. Sie hüllte sich in eine Decke und machte den Fernseher an, um auf andere Gedanken zu kommen. Computer, Laptops oder Handys gab es damals noch nicht. Auch das Telefonieren war zu jener Zeit nicht immer einfach, denn wo sie sich befanden, musste erst vieles
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