Phantastische Weihnachten: 24 Geschichten zum Weihnachtsfest (German Edition)
durch. Nur noch ein einziger Altbau fehlte ihm. Genau in diesem Moment begannen die Glocken zu läuten und das Ende der Messe zu verkünden. Er fluchte leise vor sich hin, während er den Schlüssel ins Schloss steckte und in die Wohnung hetzte. Dann zog er das letzte Geschenk hervor, legte es neben die Plätzchentüte unter den Weihnachtsbaum und verließ das Haus ebenso schnell, wie er gekommen war.
Allmählich begannen die Menschen, ihren Heimweg anzutreten. Xaramas wollte auf direktem Wege nach Hause gelangen, doch damit er nicht allzu vielen Kirchengängern über den Weg lief, entschied er doch sich für einen Umweg durch die schmalen Gassen.
Sie waren weniger belebt, aber doch nicht so leer wie erwartet. Immer wieder wünschte er den Menschen, die an ihm vorbei gingen, frohe Weihnachten. Und dann begegnete er noch einem Paar mit zwei Kindern. Die beiden Strolche versuchten, Schneeflocken mit ihren Zungen aufzufangen und lachten dabei. Ihre Eltern warfen immer wieder Blicke auf die Kinder und lächelten sich freundlich an.
„Frohe Weihnachten“, grüßte Xaramas höflich.
„Frohe Weihnachten! Was machen Sie denn zu so später Stunde noch hier? Wollen sie nicht nach Hause gehen?“
Verflixt, was sollte er nur antworten? Darauf war er gar nicht vorbereitet gewesen. Dann musste er eben improvisieren. „Ich habe kein Zuhause. Ich werde die Nacht wohl auf der Straße schlafen“, log er und blickte scheinbar betreten auf den Boden. „Ach, was solls...Ihnen noch einen schönen Weihnachtsabend“, fügte er hinzu. Er wollte schon weitergehen, doch auch die beiden Kinder hatten die Unterhaltung mitbekommen.
„Sie haben kein Zuhause?“, fragte der kleine, blonde Junge und machte ein völlig entsetztes Gesicht.
„Nein“, log Xaramas.
„Ach, Mama, können wir ihn nicht mitnehmen? Dann bekommt er wenigstens eine anständige Mahlzeit.“ Das Mädchen hatte sich zu Wort gemeldet und blickte abwechselnd zwischen den Eltern und dem Fremden hin und her. „Ach bitte. Wir haben doch in der Kirche gelernt, das man zu jedem freundlich sein soll. So viele Menschen verhungern zu Weihnachten, und jetzt können wir ihm eine Freude bereiten.“ Erwartungsvoll blickte die Kleine die Erwachsene an.
Die Mutter blickte zu ihrem Mann, doch dieser wirkte nicht gerade zufrieden, da schaltete sich aber auch Xaramas ein. „Ach nein, lass mal. Ich komme schon zurecht, aber danke.“ Er machte einen erneuten Versuch sich aus dem Staub zu machen, als das kleine Mädchen ihn am Arm zupfte. „Mister?“
Xaramas drehte sich um und blickte die Kleine an. „Das hier ist für Sie. Dann haben Sie wenigstens ein Geschenk.“ Die Augen der Kleinen strahlten wie kleine Sterne und sie reichte ihm einen kleinen, handgenähten Anhänger aus Stoff, der einen Weihnachtsmann darstellte.
Xaramas musste unwillkürlich lächeln und seine Augen füllten sich mit Tränen. „Danke“, hauchte er. Da flitzte die Kleine auch schon wieder zu ihrer Mutter und griff nach deren Hand. Sie schenkte ihm noch ein leises Lächeln, dann drehte sie sich um und ging mit ihrem Mann und den Kindern die Gasse entlang, bis sie schließlich um die Ecke verschwanden.
Xaramas blickte auf das Geschenk in seiner Hand. Diese Geste hatte ihm förmlich den Atem geraubt. Er hatte noch nie etwas geschenkt bekommen. Er blickte den kleinen Gegenstand in seiner Hand an. Wie ein kleines Wunder hielt er ihn behutsam fest. Er schien so zerbrechlich und schön.
Als er seinen Blick wieder hob, sah er nochmal an die Stelle, an der die Familie verschwunden war. Überall begannen die Häuser zu erleuchten, sodass sie fast wie festliche Laternen wirkten. Er sah, wie sich die Kinder auf die Geschenke stürzten und sie mit großen Augen auspackten und begeistert den Inhalt in den Händen hielten. Die Freude erwärmte ihm das Herz. Es war der Moment, in dem Xaramas klar wurde, dass er seinem Onkel nie dieses Dorf überlassen würde.
Immer wieder vergewisserte er sich, dass der kleine Gegenstand noch da war, und jedes Mal erfreute sein Anblick ihn ein bisschen mehr. So ging er dahin mit einem seligen Lächeln auf den Lippen.
17. Dezember
Zeit der Wunder
Von Grit Stange
Im Luftzug der sich öffnenden Eingangstür dreht sich das Mobile aus Engeln und Sternen, die Worte „Zeit der Wunder“ werden sichtbar.
Wie angewurzelt bleibt Paul stehen. Und da – in der Ecke vor ihnen steht ein wunderschön geschmückter Weihnachtsbaum mit ganz vielen Lichtern. „Guck mal, Lapap“, flüstert
Weitere Kostenlose Bücher