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Phantom

Phantom

Titel: Phantom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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wollte er nicht, daß das Bild di e Gefängnismauern verließ. Und jetzt kommen die Quittunge n ins Spiel.«
    Benton sah mich fragend an.
    »Ich denke, Donahue beauftragte jemanden, die Kuverts auszutauschen, und der Betreffende machte einen Fehler. Ich könnte mir vorstellen, daß er bei den Spesenrechnungen ebenso verfährt wie wir: Wenn wir viel unterwegs sind, lassen wir, um den Papierkrieg nicht unnötig zu vergrößern, mehrere Fahrten zusammenkommen, bis wir abrechnen. Ich nehme an, unser Mann hatte seine Belege vom 28. November in einem Kuvert auf dem Schreibtisch liegen. Um Donahues Anweisung auszuführen, nimmt er ein anderes, steckt irgend etwas Nichtssagendes hinein, klebt es zu und schreibt dann Waddells Text Streng vertraulich. Bitte mit mir begraben! darauf.«
    »Aber aus Versehen auf das Kuvert, das die Quittungen enthält«, stieg Wesley in meine Theorie ein.
    »Genau.«
    »Doch das entdeckt er erst später, als er seine Spesenabrechnung machen will und statt seiner Belege das in dem Umschlag findet, was er Waddell hatte unterschieben wollen.«
    Ich nickte. »Wenn ich dieser Mann wäre, würde ich unbedingt in Erfahrung bringen wollen, ob der Umschlag bei der Obduktion geöffnet wurde und der Inhalt möglicherweise Anlaß zu Nachforschungen gegeben hat. Also wende ich mich an meinen Kontaktmann, Ben Stevens, der Geld dafür erhielt, daß er nach Waddells Einlieferung die Abnahme der Fingerabdrücke verhinderte. Stevens kann die Frage nicht beantworten und wendet sich an Susan. Doch die weiß es auch nicht, da Fielding den Umschlag in sein Büro mitnahm und erst dort öffnete, wonach er den Inhalt fotokopierte und die Originale mit Waddells Kleidung rausschickte.«
    »Hätte Stevens sich nicht einfach die Akte holen können?«
    »Einfach nicht, er hätte meinen Kommodenschrank aufbrechen müssen.«
    »Dann war seine einzige Möglichkeit Ihr Computer.«
    »Wenn er nicht Fielding oder mich fragen wollte – und das vermied er tunlichst, denn er hätte sein Interesse an diesem Detail nicht plausibel begründen können.«
    »Kennt er sich gut genug in der Materie aus, um in Ihr Verzeichnis einbrechen zu können?«
    »Meines Wissens nicht«, antwortete ich, »aber Susan hat mehrere Comp uterkurse besucht, und ich fand UNIX-Handbücher in ihrem Büro.«
    Das Telefon klingelte.
    Nicholas Grueman hielt sich nicht mit Einleitungsfloskeln auf, sondern kam sofort zum Wesentlichen. »Dr. Scarpetta, Sie haben am 12. November Wertpapiere im Wert von zehntausend Dollar verkauft, aber ich finde in Ihren Unterlagen keinen Hinweis darauf, daß Sie das Geld auf eines Ihrer Konten eingezahlt haben.«
    »Den können Sie auch nicht finden. Ich habe es nicht eingezahlt.«
    »Sondern?«
    »Ich erwarb in der Innenstadtfiliale der Signet Bank einen Cashier’s check auf einen entsprechenden Betrag in englischen Pfund.«
    »Und auf welchen Empfänger ausgestellt?« fragte mein ehemaliger Professor.
    »Mr. Grueman, die Transaktion war rein privater Natur. Sie hatte nicht das geringste mit meinem Beruf zu tun.«
    »Kommen Sie, Dr. Scarpetta! Sie wissen, daß das kein Argument ist.«
    Ich schwieg.
    »Es muß Ihnen doch klar sein, daß Sie darüber befragt werden. Glauben Sie, es macht einen guten Eindruck, wenn Sie sich weigern, den Adressaten dieser hohen Summe anzugeben, die sie, kurz bevor Susan Story dreieinhalbtausend Dollar auf ihr Konto einzahlte, flüssig gemacht haben?«
    Ich schloß die Augen und fuhr mir mit den gespreizten Fingern durch die Haare. Wesley stand auf, trat hinter mich und legte mir die Hände auf die Schultern. »Kay, Sie müssen es ihm sagen!«

13
    Wäre Grueman nur ein Theoretiker gewesen, hätte ich mein Schicksal nicht in seine Hände gelegt, doch er war vor seiner Lehrtätigkeit ein namhafter Anwalt und fungierte in der Kennedy-Ära bei Sensationsprozessen als Ankläger. Jetzt vertrat er mittellose Todeskandidaten. Ich schätzte sein Engagement, seinen messerscharfen Verstand und seine ebensolche Zunge.
    Er hatte kein Interesse an einem Kuhhandel und weigerte sich strikt, Marino oder sonst jemandem auch nur die kleinste Information zu geben. Er erzählte niemandem von meiner Zehntausend-Dollar-Transaktion, die, wie er sagte, das größte Belastungsmoment gegen mich war. Sein Verhalten erinnerte mich an die Lektion, die er seinen Studenten in der allerersten Strafrechtsvorlesung eingebläut hatte: »Sagen Sie nein! Sagen Sie nein! Sagen Sie nein!« Mein alter Lehrer hielt sich eisern an diese Regel

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