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Phantom

Phantom

Titel: Phantom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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Waddells Mutter ihn am Nachmittag vor seiner Hinrichtung besuchte?«
    »Ja. Ich hatte Dienst, als sie kam.«
    »Sie haben sie durchsucht – und alles, was sie bei sich hatte?«
    »Ja.«
    »Brachte sie ihrem Sohn etwas mit? Ich weiß, daß die Vorschriften es Besuchern verbieten, den Häftlingen etwas mitzubringen, aber…«
    »Man kann eine Sondergenehmigung beantragen. Sie hat sie bekommen.«
    »Also durfte sie ihrem Sohn etwas geben?«
    »Helen, es wird kalt hier drin«, sagte eine helle Stimme hinter ihr, und plötzlich erschien in dem Raum zwischen Helens fleischiger linker Schulter und dem Türrahmen schattenhaft ein Gesicht. Leuchtendblaue Augen fixierten mich einen Moment, dann waren sie wieder weg. Es ging so schnell, daß ich keine Gesichtszüge erkennen konnte. Die Tür hinter der ehemaligen Gefängniswärterin wurde leise geschlossen. Helen Grimes lehnte sich dagegen und verschränkte die Arme unter dem mächtigen Busen. Ich wiederholte meine Frage.
    »Es war nur eine Kleinigkeit. Ich rief den Direktor wegen der Erlaubnis an.«
    »Frank Donahue?«
    Sie nickte.
    »Und er erteilte sie?«
    »Das hab ich doch schon gesagt.«
    »Und was hatte Waddells Mutter für ihren Sohn dabei?«
    »Ein Jesusbild, in Postkartengröße, und auf der Rückseite stand etwas. Ich weiß noch genau, was, weil ein Wort falsch geschrieben war. ›Ich werde im Paradies bei dir sein.‹ Paradies war mit doppeltem ›r‹ und ohne ›e‹ geschrieben.«
    »Und das war alles, was sie ihrem Sohn vor seinem Tod geben wollte?«
    »Ja, das war alles. Hören Sie, ich muß wieder rein. Und ich möchte nicht, daß Sie noch mal herkommen.« Als sie die Hand auf die Türklinke legte, platschten die ersten Regentropfen auf die Zementstufen und hinterließen große dunkle Flecken.
    Als Wesley später zu mir kam – in einer schwarzledernen Pilotenjacke und mit dunkelblauer Schirmmütze – umspielte ein Lächeln seine Mundwinkel.
    »Was gibt es Neues?« fragte ich, als wir uns in die Küche zurückzogen, die inzwischen schon ein so gewohnter Konferenzraum für ihn war, daß er sich wieder auf denselben Stuhl setzte.
    »Wir haben Stevens nicht brechen können – aber ich glaube, wir haben ihn ziemlich angeknackst«, berichtete er. »Ihr Trick mit der Laboranforderung im Sortierkasten hat funktioniert: Ihr Verwaltungsmann hat allen Grund, wegen der Ergebnisse der DNS-Tests bei dem Embryo nervös zu sein.«
    »Meine Vermutung war also richtig: Er hatte ein Verhältnis mit Susan.« Ich stellte fest, daß ich nicht über die Untreue meiner Assistentin entrüstet war, sondern nur enttäuscht über ihren Geschmack.
    »Stevens gab die Affäre zu, leugnete jedoch alles andere.«
    »Zum Beispiel zu wissen, woher Susan die dreieinhalbtau s end Dollar hatte.«
    »Richtig. Aber wir sind noch nicht fertig mit ihm. Einer von Marinos Informanten hat in der Gegend, in der Susan erschossen wurde, einen schwarzen Jeep mit einem silbernen Stern auf der Hülle des Reservereifens gesehen. Und der Zeitpunkt paßt.«
    »Stevens hat sie nicht umgebracht, Benton.«
    »Nein, das hat er nicht. Ich teile Ihre Ansicht, daß er ein Feigling ist. Ich glaube, nach dem Mord an Jennifer Deighton bekam er Fracksausen. Er überließ es Susan, das Geld in Empfang zu nehmen, und wollte sich anschließend mit ihr treffen, um seinen Anteil zu kassieren.«
    »Aber da war sie schon tot«, sagte ich.
    Wesley nickte. »Ich denke, der Kurier hat sie erschossen und das Geld behalten. Kurz darauf erschien Stevens an der verabredeten Stelle, dem Durchgang an der Strawberry Street. Susan sitzt vornübergesunken im Wagen, er erkennt nicht gleich, was mit ihr los ist, und richtet sie auf.«
    »Und macht sich schleunigst aus dem Staub.«
    »Wenn er sich vor dem Treffen erfrischte, hatte er den Red-Duft an den Händen – und als er Susan aufrichtete, übertrug er ihn auf sie. Wir werden ihn schon noch kleinkriegen«, schloß Benton zuversichtlich.
    »Ich habe auch Neuigkeiten.« Ich berichtete ihm von meinem Besuch bei Helen Grimes und davon, was sie mir über Mrs. Waddells letzten Besuch bei ihrem Sohn erzählt hatte.
    »Jeder Todeskandidat hat einen Wunsch frei«, sagte ich. »Meiner Ansicht nach erbat sich Waddell die Erlaubnis, das Jesus-bild mit in den Tod nehmen zu dürfen. Donahue entsprach diesem Ansuchen zwar offiziell, hatte jedoch den Verdacht, daß es mit dem Bild etwas auf sich haben, der Text darauf vielleicht eine verschlüsselte Nachricht sein könnte. Aufgrund dieser Befürchtung

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