Phantom
was einfällt, von dem Sie denken, daß ich es wissen sollte, dann rufen Sie mich an!«
»Ja, Sir«, sagte sie kleinlaut wie ein gescholtenes Schulkind. »Das werde ich tun.«
»Machen Sie die Autopsie heute noch?« fragte mich Marino, nachdem die Haustür sich hinter uns geschlossen hatte.
»Nein, morgen früh.« Ich fischte meine Autoschlüssel aus der Manteltasche.
Jennifer Deightons Haus war hell erleuchtet, und ein Abschleppwagen stand mit der Schnauze zu uns in der Einfahrt. Die Stimmen der arbeitenden Männer klangen gedämpft durch den Schnee. Die am Straßenrand geparkten Autos waren unter weißen Hauben verschwunden und sahen dadurch so bullig aus wie die Wagenmodelle der fünfziger Jahre. Ich folgte dem Blick Marinos, der suchend in den Nachthimmel spähte, und plötzlich flammte Licht auf: die Beleuchtung der Methodistenkirche, deren Turm wie ein leuchtender Riese aus der Dunkelheit ragte. Als ich mich umdrehte, sah ich, daß sich der Vorhang am Küchenfester der Clarys bewegte. Marino schüttelte sich. »Ich muß hier weg, sonst fange ich auch noch an zu spinnen.«
»Soll ich Neils auf Jennifer Deightons Wagen ansetzen?«
»Ja«, rief er über die Schulter zurück, »machen Sie das!«
Zu Hause brannte ein Feuer im Kamin, und der Couchtisch davor war für zwei Personen gedeckt. Ich stellte meine Tasche auf das Sofa und horchte: Aus dem Arbeitszimmer auf der anderen Seite des Flurs kam das leise Klicken von Computertasten.
»Ich bin da, Lucy«, rief ich.
Es klickte weiter. »Und ich bin hier.«
»Was gibt’s zum Abendessen?«
»Wie kommst du darauf, daß es was zu essen gibt?«
Ich ging zu ihr hinüber. »Weil es so lecker duftet.«
»Das ist bis jetzt nur die Soße. Ich wußte ja nicht, wann du kommst.«
Meine Nichte saß an meinem Schreibtisch und schaute angespannt auf den Bildschirm. Verblüfft stellte ich fest, daß sie im UNIX-System war. Irgendwie hatte sie sich Zugang zum Rechner in der Stadt verschafft.
»Wie hast du das angestellt?« fragte ich. »Du wußtest doch weder den Verbindungsbefehl noch den Benutzernamen – und auch mein Paßwort kennst du nicht.«
»Das brauche ich alles nicht: Ich habe die Datei gefunden, die mir den bat-Befehl erklärt. Und du hast ein paar Programme mit deiner Benutzerkennung und dem Paßwort, um beim Programmstart die Rückfrage danach zu vermeiden. Der Benutzername ist MARLEY und das Paßwort GEHIRN.«
Ich zog mir einen Stuhl heran. »Du bist ja gefährlich!«
»Wer ist Marley?« Sie tippte weiter.
»Marley Scates. Er saß während des Medizinstudiums zwei Jahre lang neben mir im Labor. Er ist Neurochirurg geworden. Ich habe schon lange nichts von ihm gehört.«
»Warst du in ihn verliebt?«
»Wir sind nie miteinander ausgegangen.«
»War er in dich verliebt?«
»Du fragst zuviel, Lucy. Du kannst Menschen nicht einfach alles fragen, was du willst.«
»Kann ich wohl – sie müssen ja nicht antworten.«
»Es ist indiskret.«
»Ich glaube, ich habe rausgefunden, wie der große Unbekannte in dein Verzeichnis einbrechen konnte, Tante Kay. Erinnerst du dich daran, daß ich dir sagte, bestimmte Benutzerkennungen werden mit Anwendungssoftware ausgeliefert?«
»Ja.«
»Es ist einer mit dem Namen DEMO da – hat Systemprivilegien, aber kein Paßwort. Ich denke, daß der große Unbekannte DEMO benutzt hat, und ich werde dir zeigen, was wahrscheinlich passiert ist.« Ihre Finger flogen über die Tasten, während sie sprach. »Ich gehe jetzt in die Systemverwaltung, um mir die protokollierten Systemanmeldungen anzusehen. Wir werden nach einem bestimmten Anwender suchen. So – und so – und peng! Da ist es! Am 16. Dezember um siebzehn Uhr sechs meldete sich jemand von einem Gerät mit der Bezeichnung TTY14 im System an. Diese Person hatte Systemprivilegien und ist meiner Ansicht nach diejenige, die in dein Verzeichnis einbrach. Zwanzig Minuten später, um siebzehn Uhr sechsundzwanzig, versuchte sie die Mitteilung ICH KANN ES NICHT FINDEN an TTY07 zu schicken und legte statt dessen aus Versehen eine Datei an. Um siebzehn Uhr zweiunddreißig lockte sie sich aus, womit das Ganze sechsundzwanzig Minuten gedauert hat. Es ist übrigens nichts ausgedruckt worden: Ich habe einen Blick auf das Printer spooler log geworfen, das die Ausdrucke anzeigt, und konnte nichts finden.«
»Es wollte also jemand eine Nachricht von TTY14 an TTY07 schicken«, resümierte ich, um sicherzugehen, daß ich wenigstens das richtig verstanden hatte.
»Genau. Ich habe es
Weitere Kostenlose Bücher