Phantom
Bestätigung, daß Sie ein naher Verwandter sind.«
Schweigen.
»Hallo?« sagte ich. »Sind Sie noch da?«
Es klickte.
»Höchst merkwürdig«, meinte ich zu Marino. »Wissen Sie etwas über einen John Deighton? Er behauptet, Jennifer Deightons Bruder zu sein.«
» Der war dran? Scheiße! Wir haben vergeblich versucht, ihn zu erreichen.«
»Offenbar hat ihn jemand von ihrem Tod benachrichtigt.«
»Von wo hat er angerufen?«
»Weiß ich nicht, aber ich nehme an, aus Columbia, South Carolina. Er hat einfach aufgelegt.«
»Ich komme gerade von Neils Vander«, wechselte er das Thema. Neils war der Leiter der Abteilung Fingerabdrücke.
»Er hat Jennifer Deightons Wagen untersucht, die Bücher vom Nachttisch und ein Gedicht, das in einem davon steckte. Zu dem Blatt Papier vom Bett ist er noch nicht gekommen.«
»Und was gibt es bisher?«
»Er hat ein paar Abdrücke gefunden. Wird sie durch den Computer laufen lassen, wenn nötig. Wahrscheinlich stammen die meisten von ihr. Hier.« Er stellte eine kleine Tragetasche auf meinen Schreibtisch. »Viel Spaß beim Lesen.«
»Ich nehme an, Sie werden Neils gleich bitten, die Abdrück e durchlaufen zu lassen«, sagte ich.
Ein Schatten wanderte über Marinos Gesicht. Er rieb sich die Schläfen.
»Jennifer Deighton hat nämlich eindeutig nicht Selbstmord begangen. Ihr Kohlenmonoxyd lag unter sieben Prozent. Kein Ruß in den Luftwegen.«
»Verdammt!«
Ich blätterte meine Unterlagen durch und gab ihm ein Körperdiagramm, öffnete einen Umschlag und entnahm ihm mehrere Polaroidfotos von Jennifer Deightons Hals. »Wie Sie sehen können, fand ich keine äußeren Verletzungen. Keine Abschürfungen oder Quetschungen. Auch die Fingerspitzen waren ohne Befund. Aber hier« – ich zeigte ihm ein Polaroidfoto, das ich während der Obduktion gemacht hatte – »gibt es etwas zu sehen: beidseitig Blutungen in den Kopfwendermuskeln, und das Zungenbeinhorn ist gebrochen. Sie starb an Sauerstoffmangel, hervorgerufen durch Druck auf den Hals.« Ich zeigte ihm ein anderes Foto. »Außerdem hat sie mehrere punktförmige Hautblutungen im Gesicht, die ebenfalls durch besagten Druck verursacht wurden. Jennifer Deighton ist ohne jeden Zweifel ermordet worden.«
»Das hat mir noch gefehlt!« stöhnte er und schaute mich mit müden Augen an. »Ich habe acht unaufgeklärte Morde auf meinem Schreibtisch, in Henrico kommen sie mit Eddie Heath nicht weiter, und der Vater des Jungen ruft mich fast täglich an, ganz abgesehen davon, daß sie in Mosby Court auch noch diesen verdammten Drogenkrieg haben. Und jetzt kommen Sie damit daher! Fröhliche Weihnachten!«
»Jennifer Deighton wäre es sicherlich auch lieber, wenn Sie keine Arbeit mit ihr hätten«, erwiderte ich trocken.
»Was haben Sie noch rausgefunden?«
»Sie hatte einen zu hohen Blutdruck, was Mrs. Clary ja bereits erwähnte.«
»Wie konnten Sie das denn feststellen?« fragte er verblüfft.
»Die linke Herzkammer war vergrößert.«
»Und das kommt von zu hohem Blutdruck?«
»So ist es. Ich rechne damit, eine vorzeitige Nierenverkalkung vorzufinden und durch Bluthochdruck verursachte Störungen der Hirndurchblutung. Die entsprechenden Untersuchungen muß ich noch machen.«
»Heißt das, daß die Nieren und das Gehirn in Mitleidenschaft gezogen werden, wenn man zu hohen Blutdruck hat?«
»Laienhaft ausgedrückt, ja.«
»Was haben Sie mir noch zu bieten?«
»Nichts von Bedeutung.«
»Wie steht’s mit dem Mageninhalt?«
»Fleisch und verschiedene Gemüse, teilweise verdaut.«
»Alkohol oder Medikamente?«
»Kein Alkohol. Die anderen Tests laufen.«
»Keine Anzeichen für eine Vergewaltigung?«
»Keine. Aber selbst wenn Spermaspuren festgestellt werden, muß das nicht bedeuten, daß sie zum Geschlechtsverkehr gezwungen wurde.«
Marino starrte vor sich hin. Seine Miene war unentschlüssel b ar.
»Was geht in Ihrem Kopf vor?« fragte ich schließlich.
»Ich denke darüber nach, wie die Sache wohl abgelaufen ist. Vielleicht wollte sie der Täter gar nicht umbringen, sondern nur einschüchtern. Er würgte sie, ging zu gewalttätig vor, weil er ihren schlechten Gesundheitszustand nicht kannte – und sie erstickte. Und dann kam er auf die Idee mit dem vorgetäuschten Selbstmord und brachte sie in die Garage.«
Ich schüttelte den Kopf. »Ihr hoher Blutdruck hat mit alldem nichts zu tun.«
»Können Sie mir dann erklären, wie sie starb?«
»Wenn wir davon ausgehen, daß ihr Angreifer Rechtshänder war, dann legte er ihr
Weitere Kostenlose Bücher