Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Phantom

Phantom

Titel: Phantom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
Vom Netzwerk:
unten in einem
    Baumumstandenen Zauberteich.
    Kein Datum, kein Verfasser. Das Papier war zweimal zusammengefaltet worden. Ich stand auf und ging ins Wohnzimmer, wo Lucy Kaffee und Tee auf den Tisch gestellt hatte und im Kaminfeuer herumstocherte.
    »Hast du keinen Hunger?« fragte sie mich.
    »Doch.« Ich dachte wieder an das Gedicht. War diese »Jenny« Jennifer Deighton?
    »Tante Kay! Wo bist du mit deinen Gedanken?« schreckte Lucy mich aus dem Grübeln auf.
    »Entschuldige. Worauf hättest du denn Appetit?«
    »Du wirst es nicht glauben: auf Steak! Aber nur, wenn es von einem Rind stammt, das nicht mit Chemie vollgestopft worden ist! Könntest du diese Woche nicht den Dienstwagen nehmen, damit ich deinen Mercedes benutzen kann?«
    »Ich benutze den Dienstwagen normalerweise nur zu Dienstfahrten – wie der Name schon sagt.«
    »Als du gestern abend wegmußtest, nahmst du den Mercedes, obwohl es eine Dienstfahrt war, Tante Kay. Warum nicht auch umgekehrt?«
    »In Ordnung«, gab ich nach. »Ich mache dir einen Vorschlag: Wir genehmigen uns jetzt das beste Steak, das in dieser Stadt zu haben ist, holen dann im Leichenschauhaus den Kombi, und du fährst den Mercedes nach Hause.«
    »Ich habe noch nie gesehen, wo du arbeitest.«
    »Wenn du möchtest, zeige ich dir alles.«
    »Nein, danke. Nicht nachts.«
    »Tote können dir doch nichts tun.«
    »O doch, das können sie. Dad hat mir sehr wohl etwas angetan, als er starb: Er lieferte mich Mom aus.«
    »Holen wir unsere Mäntel.«
    »Wieso wechselst du jedesmal das Thema, wenn ich etwas über mein unerfreuliches Zuhause sage?«
    »Willst du vielleicht lieber meine schwarze Lederjacke anziehen?«
    »Das ist doch nicht zu fassen!« Sie stampfte mit dem Fuß auf. Wir stritten uns den ganzen Weg, und als ich den Wagen auf dem Parkplatz von Ruth’s Chris Steak House abstellte, hatte ich Kopfschmerzen und haderte mit mir. Lucy hatte mich dazu provoziert, laut zu werden. Der einzige Mensch, der das regelmäßig schaffte, war meine Mutter.
    »Warum bist du so biestig?« fragte ich in ihr Ohr, als wir zu einem Tisch geführt wurden.
    »Weil ich mit dir reden will und du mich nicht läßt!«
    Ein Ober kam, um unsere Getränkebestellung aufzunehmen.
    »Dewar’s mit Soda«, sagte ich.
    »Tststs«, machte Lucy mißbilligend. »Du solltest keinen Alkohol trinken, wenn du noch fahren mußt!«
    »Ich habe nicht die Absicht, eine Orgie zu feiern«, erwiderte ich spitz. »Aber du hast natürlich recht: Ich sollte es ganz sein lassen. Trotzdem muß ich dir dringend raten, deine Krittelei einzuschränken. Wie willst du Freunde gewinnen, wenn du ewig was zu meckern hast?«
    »Ich will ja gar keine Freunde gewinnen.« Sie starrte ins Leere. »Die meisten Leute sind langweilig.«
    Ich hatte plötzlich einen Kloß im Hals. »Ich glaube, du sehnst dich mehr nach Freunden als alle anderen Menschen, die ich kenne, Lucy.«
    »Ich hätte wetten können, daß du das glaubst. Und jetzt wirst du mir gleich raten, möglichst bald zu heiraten.«
    »Nicht im entferntesten – im Gegenteil: Ich hoffe, du wirst es nicht tun.«
    »Als ich heute in deinem Computer herumreiste, fand ich eine Datei mit der Bezeichnung FLEISCH. Warum hast du eine so makabre Datei?«
    »Weil ich mitten in einem schwierigen Fall stecke.«
    »Meinst du den kleinen Eddie Heath? Den Bericht habe ich auch gefunden. Der Junge lehnte nackt an einem Müllcontainer, und jemand hatte Stücke aus seinem Arm und seinem Schenkel geschnitten.«
    »Lucy, bitte, laß in Zukunft die Finger von den Reports! Das ist nun wirklich keine Lektüre für dich!«
    Gerade als unsere Getränke kamen, schlug mein Piepser an. Ich hakte ihn vom Gürtel meines Rockes ab und schaute nach der Nummer. »Entschuldige mich einen Moment.« Ich stand auf und ging zum Telefon. Es war kurz vor acht.
    »Ich muß mit Ihnen reden«, sagte Neils Vander, der immer noch in seinem Büro saß. »Kommen Sie her, und bringen Sie Ronnie Waddells zehn Fingerabdruckkarten mit!«
    »Warum?«
    »Wir haben ein Problem. Ich werde auch Marino herbitten.«
    »In Ordnung. Marino soll mich in einer halben Stunde in meinem Büro abholen.«
    Als ich an unseren Tisch zurückkehrte, sah Lucy mir sofort an, daß ich einen weiteren gemeinsamen Abend zerstören würde.
    »Es tut mir leid«, sagte ich.
    »Wo mußt du hin?«
    »Zuerst ins Büro und dann ins Seaboard Building.« Ich zog meine Brieftasche heraus.
    »Was ist das Seaboard Building?«
    »Dorthin sind die Serologie, die DNS und die

Weitere Kostenlose Bücher