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Phantom

Phantom

Titel: Phantom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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Fingerabdrucklabors vor kurzem umgezogen. Marino wird auch kommen. Es ist lange her, daß du ihn gesehen hast.«
    »Er ist bestimmt immer noch derselbe Flegel.«
    »Das ist nicht nett, Lucy. Marino ist kein Flegel.«
    »Das letzte Mal, als ich hier war, hat er sich aber so benom m en.«
    »Du warst auch nicht gerade liebenswürdig zu ihm.« »Jedenfalls habe ich ihn nicht ›neunmalkluge Göre‹ geschimpft.«
    »Aber du hast ihn mit einer Reihe anderer wenig schmeichelhafter Namen bedacht und ständig seine Grammatik korrigiert.«
    Eine halbe Stunde später ließ ich Lucy unten im Büro des Leichenschauhauses warten, während ich in mein Büro hinauffuhr. Ich sperrte den Kommodenschrank auf, nahm Waddells Akte heraus und trat gerade wieder unten aus dem Lift, als der Summer an der Hintertür ertönte. Marino trug Jeans, einen dunkelblauen Parka und eine Baseballkappe mit dem Zeichen der Richmond Braves. Ich holte Lucy aus dem Büro.
    »Ihr beide kennt euch ja! Lucy ist für die Weihnachtstage hier und hilft mir bei einem Computerproblem«, fügte ich als Erklärung für Marino hinzu, bevor wir in die kalte Nachtluft hinaustraten.
    Das Seaboard Building lag hinter dem Parkplatz gegenüber dem Leichenschauhaus und diagonal zur Front der Main Street Station, wo der Verwaltungsapparat des Gesundheitsministeriums untergebracht war, solange dessen Quartier von Asbest gereinigt wurde. Die Uhr am Turm des ehemaligen Bahnhofsgebäudes schwebte hoch über uns wie ein Vollmond. Rote Lichter auf den hohen Gebäuden blinkten Warnsignale für tieffliegende Flugzeuge. Irgendwo in der Dunkelheit rumpelte ein Zug seines Weges. Der Boden zitterte wie ein Schiff bei schwerem Seegang.
    Marino ging vor uns her. Es paßte ihm nicht, daß Lucy dabei war, und er gab sich keine Mühe, das zu verbergen. Als wir das Seaboard Building erreichten, wo zur Zeit des Bürgerkrieges Versorgungszüge beladen worden waren, drückt e ich auf die Klingel. Gleich darauf ließ Vander uns ein; er hatt e bereits auf uns gewartet.
    Er fragte nicht, wer Lucy sei. Selbst wenn ein Wesen von einem anderen Stern in Begleitung von jemandem käme, den er kannte und dem er vertraute, würde er keine Fragen stellen und auch nicht erwarten, vorgestellt zu werden. An manchen Tagen fiele es ihm vielleicht nicht einmal auf. Ich sagte ihm trotzdem, wer Lucy war.
    Wir folgten ihm die Treppe hinauf in den zweiten Stock, wo alle Korridore in einem matten Metallgrau gestrichen und die Büros mit Schreibtischen und Bücherschränken in Kirschholztönen sowie gräulich-blau gepolsterten Stühlen möbliert waren.
    »Warum arbeiten Sie denn so spät noch?« fragte ich, als wir den Raum betraten, in dem das Automated Fingerprint Identification System, kurz AFIS, untergebracht war.
    »Wegen Jennifer Deighton.«
    »Was wollen Sie denn dann mit Waddells Fingerabdrücken?«
    »Ich will sichergehen, daß letzte Woche wirklich Waddell obduziert wurde.«
    Marino sah ihn verblüfft an. »Wovon reden Sie, zum Teufel?«
    »Das zeige ich Ihnen gleich.« Vander setzte sich an den Remote-Input-Terminal, der wie ein gewöhnlicher PC aussah. Das Gerät war mit dem Computer der Staatspolizei verbunden, der über eine Datenbank mit mehr als sechs Millionen Fingerabdrücken verfügte. Vander drückte auf einige Tasten und schaltete den Laserdrucker ein.
    »Perfekte Abdrücke sind selten – aber hier haben wir einen.«
    Vander begann zu tippen, und gleich darauf füllte ein leuchtend weißer Fingerabdruck den Bildschirm. »Rechter Zeigefinger. Gefunden in Jennifer Deightons Haus.«
    »Und wo genau?« wollte ich wissen.
    »An einem Eßzimmerstuhl. Zuerst dachte ich, es sei ein Fehler passiert, aber dem war nicht so.« Vander schaute unverwandt auf den Schirm, während seine Finger wieder über die Tasten huschten. »Dieser Fingerabdruck stammt von Ronnie Joe Waddell.«
    Ich war fassungslos. »Das ist unmöglich!«
    Vander nickte. »Sollte man meinen.«
    »Haben Sie bei Jennifer Deighton irgendeinen Hinweis dar-aufgefunden, daß die beiden einander kannten?« wandte ich mich an Marino.
    »Nein.«
    »Wenn Sie Waddells Fingerabdrücke von der Obduktion dabeihaben, können wir sie mit denen vergleichen, die AFIS gespeichert hat – nur, um sicherzugehen, daß alles seine Richtigkeit hat.«
    Ich öffnete die mitgebrachte Akte und mußte sehr schnell feststellen, daß die Karten mit den Abdrücken nicht darin waren. Als ich aufblickte, schauten alle drei mich an. Ich spürte, wie mir die Röte ins Gesicht

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