Pharmakon
dritte und letzte Etage in Cheryl Tedescos Haus emporstieg, war Jennifer entsetzt. Sie hatte gemeint, ihr eigenes Haus sei schlecht, aber Cheryls ließ es wie den Helmsley-Palace erscheinen. Ein paar Weinsäufer - Jennifer hoffte, sie würden wenigstens nicht in dem Haus wohnen - hatten in der Eingangshalle kampiert.
Als sie die Nummer auf der Tür zu Cheryls Wohnung sah, zögerte Jennifer einen Augenblick, bevor sie klopfte. Dann mußte sie warten, während sie mehrere Male ein klickendes Geräusch hörte und schließlich, wie die Kette entfernt wurde, bevor die Tür aufgezogen wurde.
»Hi! Komm rein«, sagte Cheryl. »Tut mir leid, wenn das so lange gedauert hat. Mein Dad hat darauf bestanden, alle möglichen Schlösser anzubringen.«
»Ich halte das für eine gute Idee«, sagte Jennifer und trat schnell ein. Cheryl ging in das Badezimmer und zog sich fertig an, während sich Jennifer in der ungepflegten Wohnung umsah.
»Ich hoffe, du hast den Anweisungen der Ärzte Folge geleistet«, rief sie, da sie wußte, daß man Cheryl angeraten hatte, abgesehen von einer kleinen Menge Wasser gleich nach dem Aufwachen nichts mehr zu trinken oder essen.
»Ich habe nichts gegessen«, rief Cheryl.
Jennifer trat von einem Bein auf das andere. Da sie spürte, daß das ganze Haus schmutzig war, wollte sie sich nicht setzen. Die ganze Idee, Cheryl zu begleiten, begann sie zu verstimmen, aber sie konnte sie nicht alleine gehen lassen. Zumindest würde sie den sagenhaften Dr. Foley kennenlernen, auch wenn sie nicht vorhatte, Adam zudem noch mit dem Thema Geburtshelfer herauszufordern. Sie hatten den in der vorigen Nacht versäumten Schlaf halb wieder wettgemacht, aber Jennifer war immer noch außer sich bei dem Gedanken, Adam würde sein Studium unterbrechen. Sie drückte die Daumen, daß dieses Vorstellungsgespräch bei Arolen erfolglos bleiben werde.
»Fertig«, sagte Cheryl, als sie aus dem Badezimmer auftauchte. Sie hatte eine Tasche mit ihren Nachtsachen über die Schulter geworfen. »Wir wollen die Sache ins Rollen bringen.«
Der schwierigste Teil der Anfahrt zur Julian-Klinik bestand darin, Cheryls Treppe herunterzusteigen, ohne zu fallen, und an den Weinsäufern vorbei zu kommen. Cheryl machte sich wegen der Gammler keine Gedanken und sagte, wenn der Hausmeister aufstünde, würde er sie wohl schon rauswerfen.
Sie gingen zur Station der Untergrundbahn auf der Lexington Avenue und nahmen die Linie Nr. 6 zur Hundertzehnten Straße. Es war nicht die beste Gegend, aber sie wurde besser, je näher sie der Klinik kamen. Ja, ein gesamter Wohnblock war niedergerissen worden, um für das neue Gesundheitszentrum Platz zu schaffen. Das Gebäude war eine fünfzehnstöckige, zeitgenössische Struktur aus Spiegelglas, das das Bild der umliegenden Wohngebäude aus dem frühen neunzehnten Jahrhundert reflektierte. Einen Straßenzug in jede Richtung waren die alten Häuser renoviert, mit Sandstrahl gesäubert und neu angestrichen worden, so daß sie nun in einem anheimelnden Glanz erstrahlten. Und noch einen weiteren Straßenzug darüber hinaus waren viele der Häuser von Gerüsten verdeckt, was anzeigte, daß auch sie noch renoviert wurden. Es hatte den Anschein, als ob die Klinik einen ganzen Stadtteil übernehme.
Jennifer trat durch den vorderen Eingang und erwartete das gewöhnliche Krankenhausmobiliar, war aber von einer Eingangshalle angenehm überrascht, die sie eher an ein Luxushotel erinnerte. Alles war neu und makellos sauber. Die große Rezeption war so gut mit Personal versehen, daß Jennifer und Cheryl nicht lange warten mußten, bevor eine hübsche schwarze Sekretärin sagte: »Kann ich Ihnen helfen?« Sie war in eine weiße Bluse und einen blauen Pullover gekleidet und trug ein Namensschildchen, auf dem zu lesen war: »Hallo! Ich bin Louise.«
Cheryls Antwort war kaum hörbar. »Ich bin bei Dr. Foley angemeldet. Ich soll eine Abtreibung gemacht bekommen.«
Louises Gesicht bewölkte sich vor Sorge. »Sind Sie in Ordnung, Mrs…«
»Tedesco«, sagte Jennifer. »Cheryl Tedesco.«
»Es geht mir gut«, beharrte Cheryl. »Es geht mir wirklich gut.«
»Wir haben Psychologen in Bereitschaft für Neueinweisungen, wenn Sie mit einem sprechen möchten. Wir möchten Ihnen den Aufenthalt hier so angenehm wie möglich machen.«
»Danke«, sagte Cheryl. »Ich habe aber meine Freundin hier.« Sie deutete auf Jennifer. »Ich wollte Sie fragen, ob es ihr erlaubt ist, mit mir nach oben zu kommen.«
»Selbstverständlich«, sagte
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