Philadelphia Blues
darüber nachdenken konnte, sprach er schon weiter. „Ich habe dich angelogen.“ Das Lachen verstummte und Devin sah ihn fragend an. „Ich bin nicht aus Irland weggegangen, weil ich mich mit meinen Eltern nicht mehr verstanden habe. Na ja, irgendwie schon, aber das ist nur die halbe Wahrheit.“ Colin wich Devins Blick aus und sah zu Boden. „Ich bin weggegangen, weil mein Vater mich hasst und meine gläubige Mutter denkt, ich wäre schwul geworden, um ihr eins reinzuwürgen. Sie lehnen ihren Enkelsohn ab, weil Gwen nicht verheiratet war, als sie ihn bekommen hat und...“ Colin brach ab und zögerte kurz, ob er weiter reden sollte, aber dann tat er es einfach. „Erinnerst du dich, als ich mit Anfang Zwanzig eine Weile so still war. Du hast dir damals Sorgen gemacht und mich gefragt, ob etwas passiert ist, aber ich habe das immer verneint.“
„Ja, ich erinnere mich“, sagte Devin leise und Colin spürte durch die Bewegung der Couch, dass sein Freund näher an ihn heranrückte. „Ich habe dir allerdings nie geglaubt.“
Colin wagte nicht, Devin anzusehen. „Ich war an einem Wochenende in einem Club. Hardcore. Spielchen. Du weißt schon...“ Devin nahm seine Hand, sagte aber nichts. „Ein Kerl hat mich angesprochen. Er suchte mit einigen Freunden nach einem Abenteuer. Ich war einfach nur neugierig und leider auch total dämlich, denn ich ging mit.“
Devin schnappte nach Luft. „Colin...“
„Ich wurde nicht vergewaltigt“, sagte Colin schnell und fuhr sich mit der freien Hand nervös durch die Haare. „Ich konnte abhauen, bevor... Niemand hat mir geglaubt, als ich sie anzeigen wollte.“
„Ich hätte dir geglaubt.“
„Ich weiß“, murmelte Colin und kam sich auf einmal vor wie das allerletzte Arschloch auf Erden, weil er Devin bis heute kein Wort darüber erzählt hatte. „Kilian, Adrian und David haben es zufällig erfahren und ich habe es in Irland sturzbetrunken Mikael erzählt.“ Colin zuckte hilflos die Schultern. „Ich wollte, dass du es weißt. Dass du es von mir erfährst. Auch wenn es über zehn Jahre zu spät dafür ist.“
- 11. Kapitel -
Mikael brauchte nur einen Blick auf ihn, um zu wissen, dass etwas nicht stimmte. „Was ist los?“
„Ich habe Devin erzählt, was vor zehn Jahren passiert ist.“ Colin machte die Wagentür zu, als Mikael verstehend nickte. „Ich dachte, er würde mich anschreien“, gestand er und schüttelte den Kopf. Er bekam einfach das Bild nicht aus dem Kopf, dass Devin nach seinem Geständnis geweint hatte. Sie beide hatten das getan. „Aber er hat es nicht getan. Stattdessen hat er geweint, weil mir das passiert ist und er nicht helfen konnte, denn ich habe ihn nicht gelassen.“
„Er hat Recht.“
„Ich weiß.“ Colin seufzte, ließ sich tiefer in den Beifahrersitz sinken und schnallte sich an. „Fahr einfach. Bitte. Egal wohin.“
Mikael tat ihm den Gefallen und fuhr los, worauf Colin die Augen schloss und sich von der leisen Musik davon treiben ließ, die im Radio lief. Devin hatte geweint. Colin hatte seine Tränen gesehen und sogar angefasst, weil er es nicht hatte glauben wollen. Noch nie zuvor hatte jemand um ihn geweint. Von Gwen einmal abgesehen, als er Irland verlassen hatte, um in die USA zu gehen. Colin hatte keine Ahnung, wie er damit umgehen und wie er reagieren sollte, wenn er Devin das nächste Mal sah. Er war förmlich geflüchtet, als Mikaels SMS gekommen war. Heilfroh darüber, aus dem eigenen Haus zu kommen und sich die Tränen aus seinem Gesicht zu wischen. Wieso war das bei Adrian nicht so schwer gewesen? Wieso nicht?
Lag es daran, dass Devin ihm näher war? Der beste Freund eben und nicht nur ein... Ja, was eigentlich? Colin wusste gar nicht, wo er Adrian einordnen sollte, denn 'nur' schien irgendwie zu gering in Anbetracht der Tatsache, was der Anwalt in den vergangenen Monaten für Kilian und ihn getan hatte. Außerdem mochte er diesen Sturkopf und David mochte er ebenfalls. Von Isabell gar nicht zu reden. Sie nahmen in seinem Leben zwar nicht denselben Stellenwert wie Devin ein, aber wichtig waren sie ihm trotzdem. Genauso wie ihm Mikael wichtig war.
Colin öffnete die Augen und sah zur Seite. Mikaels Profil wurde alle paar Sekunden von den Straßenlampen beleuchtet und obwohl er nicht erkennen konnte, wohin sein Freund fuhr, ahnte Colin, dass Mikael nicht den direkten Weg ins Hotel einschlagen würde. War er das wirklich? Sein Freund? Auf jeden Fall war Mikael für ihn etwas Besonderes und zwar nicht nur, weil
Weitere Kostenlose Bücher