Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)

Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)

Titel: Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
Vom Netzwerk:
auszutauschen.«
    »Vielleicht hält Herr Hitler ja noch nicht alle Fäden des deutschen Staatswesens in der Hand«, sagte Bob Wright.
    Worauf die Friedmann antwortete: »Er hat alles Wichtige unter Kontrolle. Bis zum Rauswurf der Sozialisten und Kommunisten hatte er im Reichstag eine einfache Mehrheit, jetzt regiert er mit einer absoluten Mehrheit der Stimmen. Machen Sie sich bloß keine Illusionen, nichts wird ihn davon abhalten, einen Krieg anzuzetteln.«
    »Sieht ganz so aus, als hättest du eine Amazone geheiratet«, sagte Don zu Kim.
    »Hat sie sich auch eine Brust entfernen lassen, damit sie ihren Bogen besser spannen kann?«, fragte ich mit gespielter Unschuld.
    »Meine Brüste sind beide in Ordnung, vielen Dank«, sagte die Friedmann. »Wollen Sie sich vielleicht selbst davon überzeugen?«
    Dabei legte sie doch tatsächlich einen Finger auf ihren obersten Blusenknopf. Sie hätte ihn aufgeknöpft, und wenn nur, um mich vor meinen Freunden in Verlegenheit zu bringen.
    »Burgess hat nichts für Brüste übrig«, bemerkte Don mit einem trockenen Lachen. »Habe ich recht, Guy?«
    Kims Magyarenbraut schien sich ziemlich über uns zu ärgern. »Sie scheinen das, was in Europa und Wien passiert, auf die leichte Schulter zu nehmen. Kim nimmt es ernst. Er war fünf Tage nach dem Reichstagsband in Berlin und hat mit eigenen Augen gesehen, was sich da aus der Asche erhoben hat.«
    »Wusste gar nicht, dass du in Berlin warst, Kim«, sagte ich.
    »Ich rede nicht gern darüber, weil ich nicht unbedingt stolz darauf bin, wie ich mich dort benommen habe.«
    »Da gibt es nichts, weswegen du dich schämen müsstest«, sagte seine Frau mit plötzlicher Leidenschaft. »Ihr hättet ihn in Wien sehen sollen, wie er für die Schutzbundleute, die sich in der Kanalisation verstecken mussten, einige mit eiternden Wunden, wie er für sie mit dem Motorrad quer durch die Stadt gefahren ist und falsche Papiere und Kleider an den allgegenwärtigen Kontrollen vorbeigeschmuggelt hat. Etliche von denen, die den faschistischen Schlägern entkommen konnten, verdanken ihm ihr Leben.«
    »Sie übertreibt maßlos«, sagte Kim.
    Bob sah ihn an. »Was war in Berlin?«, fragte er ruhig.
    »Erzähl schon, Kim«, sagte Don.
    »Ja doch, erzähl’s ihnen«, sagte die Friedmann. (Sie hatte eindeutig mehr Einfluss auf ihn als wir alle zusammen.) »Das lässt sie besser verstehen, was Hitler und Deutschland für die Welt in petto haben.«
    Kim zuckte mit den hageren Schultern. »Ich stand gerade in einer Apotheke, als ein Lastwagen voller Braunhemden vorfuhr. Sie sprangen von der Ladefläche und schrieben ›Jude‹ aufs Schaufenster, stellten sich vor die Tür und schickten die Kunden weg. Der Apotheker war ein kleiner Mann mit einem jüdischen Namen. Er stand da und schnappte nach Luft, als hätte er einen Hundertmeterlauf hinter sich. Er fühlte sich so gedemütigt, dass er es nicht sch-sch-schaffte, mir in die Augen zu sehen. Ob er sich persönlich erniedrigt fühlte oder sich für das ganze Land schämte, oder beides, kann ich nicht sagen.«
    »Und dann was?«, drängte ihn Bob Wright sanft.
    »Erzähl schon, Kim«, sagte seine Frau.
    Kim schien jetzt selbst nach Luft zu schnappen. »Als ich aus der Apotheke kam«, fuhr er mit zitternder Stimme fort, »wollten die Braunhemden meine P-P-Papiere sehen. Ich zeigte ihnen meinen britischen Pass, und einer von ihnen fragte mich, was ich in einem jüdischen Laden verloren hätte. Ich wollte den M-M-Mistkerlen sagen, sie sollten sich zum Teufel scheren, aber leider muss ich gestehen, dass mich der Mut verließ. Ich wusste, sie würden mir eine Abreibung verpassen, und ich hasse Gewalt. Mir wird schlecht, wenn ich B-B-Blut sehe. Ich mag nicht mal Sportarten, bei denen es zu Körperkontakt kommt. Also hab ich in mich hineingemurmelt, dass die Juden ihr Problem seien und nicht meines, und bin einfach unbekümmert meines Weges gegangen. Ohne einen B-B-Blick zurück zu dem Apotheker in seinem Geschäft.«
    Die Ungarin legte den Arm um Kim und zog ihn an sich. Bob sagte: »Du bist zu hart mit dir. Wer von uns könnte mit Gewissheit sagen, dass er sich anders verhalten hätte.«
    »Du«, sagte Kim. »Ob im Bergwerk oder in Cambridge, du bist k-k-keiner Auseinandersetzung ausgewichen.«
    »Du hattest den Mut, nach Wien zu fahren«, sagte Bob. »Und du hast den armen Teufeln in der Kanalisation geholfen.«
    »Aber d-d-dem jüdischen Apotheker in seinem Laden nicht.«
    Ehrlich gesagt, hatte mich Kims kleine Geschichte

Weitere Kostenlose Bücher