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Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)

Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)

Titel: Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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mal, welche Vorteile das hätte. Da gäb’s sicher eine Besoldung, meinst du nicht? Wir hätten unser Auskommen, und du könntest statt des Bilgewassers, das sie hier ausschenken, echten Claret trinken. Und wär das nicht auch verdammt glamourös? Denk nur an all die Säcke, die man ins Bett kriegt, um Geheimnisse aus ihnen rauszuholen.«
    »Für
wen
sollen wir denn spionieren?«
    »Für Adolf ganz sicher nicht. Auch nicht für Benito. Wenn uns gar nichts Besseres einfällt, können wir immer noch für unsere Leute arbeiten.« Da kam mir eine Idee. »Oder die Roten. Wie wäre es mit den Roten?«
    »Den Russen? Jetzt mach keine Witze.«
    »Aber Kim, die sind auf der Seite der Guten. Diktatur des Proletariats und all der Quatsch. Hab vor ein paar Wochen in Moskau Urlaub gemacht und muss sagen, ich war beeindruckt.«
    »Wenn dich in Moskau was beeindruckt hat, wird es eine der Schwuchteln gewesen sein, die du im Metropol aufgegabelt hast.«
    »Du machst den bösen Fehler, alles auf Sex zu reduzieren, Kim. Es war die Wirtschaft, die mich beeindruckt hat. Die brummt. Keine Anzeichen, dass die große Depression Mütterchen Russland erreicht hätte. Keine Arbeitslosigkeit. Keine Suppenküchen. Und eine freie Gesundheitsversorgung für alle. Keine Streiks. Nun, es gibt keine Streiks, weil es auch keine Gewerkschaften gibt, aber die gibt es nicht, weil dem Proletariat die Produktionsmittel gehören. Egal. Himmel, die Moskauer bauen sogar eine U-Bahn. Sie sagen, du wirst die Uhr nach den Zügen stellen können, die minütlich in die Bahnhöfe einfahren, und die Bahnhöfe werden Covent Garden wie eine Jauchegrube aussehen lassen. Und dass sie dank Joe Stalins Fünfjahresplan auf einer Stufe mit Deutschland und England stehen werden, in nun, äh, fünf Jahren.«
    »Sie sollten sich beeilen, zu D-D-Deutschland aufzuschließen. Wahrscheinlich führen sie in fünf Jahren längst Krieg mit den Hunnen.«
    »Was noch ein Grund wäre, für sie zu spionieren.« Ohne mich an dem Biermief zu stören, der von der immer noch nassen Tischplatte aufstieg, beugte ich mich zu Kim hinüber. »Das NKWD ist die Aristokratie der Sowjetunion«, sagte ich in einem Ton, den man im Theater
sotto voce,
gedämpft, genannt hätte. »Und seine Spione sind die Aristokratie des NKWD.«
    »Ich hätte nichts dagegen, in die Aristokratie aufzusteigen, aber was um alles in der Welt könnten wir ihnen verraten?«
    »Also, wir könnten zum Beispiel unser Gespräch hier ein bisschen aufpolieren: ›Essen mit dem ersten Assistenten eines nachgeordneten Ministers, der das und das gesagt hat.‹ Diese Art Schwachsinn.«
    »Du machst Witze.« Das Lächeln wich aus Kims Gesicht. »Nein, du meinst es
ernst.
Hör zu, Guy, was du da redest, ist der reine Unsinn. Wenn wir für die Roten spionieren würden, ginge das gegen England.«
    »Ganz und gar nicht. Wir würden dem einzigen Land in Europa helfen, das sich gegen Hitler erhebt. Wir würden zur Niederlage des Faschismus beitragen und so am Ende auch England retten.«
    Kim tat meinen Vorschlag mit einem Lachen ab. »Als Spion könntest du gefoltert werden«, sagte er. »Hast du daran schon gedacht?«
    »Dazu müssten sie uns erst mal fassen, und
uns
würden sie nie erwischen. Wer sollte auf den Gedanken kommen, dass gerade ein paar Jungs aus
Cambridge
für die Roten spionieren?«
    »Hmm. Ich nehme an, du hast dir auch schon überlegt, wie wir unsere Dienste anbieten. Sollen wir v-v-vielleicht einen Brief an die sowjetische Botschaft schreiben? Oder besser noch Botschafter Maiski bei seinem Morgenspaziergang in Kensington Gardens in ein Gespräch verwickeln?«
    »Da kommt dein Vater ins Spiel«, erklärte ich Kim. »Wenn er wirklich für den SIS arbeitet, wie wir alle vermuten, wird er wissen, wer der Mann des NKWD in London ist. Du könntest es irgendwie aus deinem Paterfamilias herauskitzeln, indem du ihm zum Beispiel erzählst, du willst für die
Review
einen Artikel über sowjetische Spione auf unserer schönen Insel schreiben. Gott, wenn wir den Namen des NKWD-Mannes in London hätten, wäre es verdammt noch mal ein Leichtes, mit ihm in Kontakt zu treten.«
    »Du bist verrückt, Guy.«
    »Das Mindeste, was du tun könntest, wäre, darüber nachzudenken.«
    »Ich werde ganz sicher nicht darüber nachdenken.«
    Kim winkte der Kellnerin und bedeutete ihr, dass wir zahlen wollten.
    Während wir auf die Rechnung warteten, brachte ich den Mut auf, ein Thema anzusprechen, dass seit Jahren ein wunder Punkt zwischen uns war.

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