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Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)

Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)

Titel: Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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Tisch. Ich nahm sie und teilte den Betrag durch zwei. »Zahlen wir die Zeche, Junge.«
    »Ich erinnere mich noch an seine Antwort. »Der Trick ist doch, die v-v-verdammte Zeche nicht zahlen zu müssen, oder?«

Kapitel 3
    London, im Juni 1934:
Ein Engländer nimmt einen Vorschlag an, den er nicht ganz versteht
    Ich bin Teodor Stepanowitsch Mali, Deckname »Mann«, und Sie haben zweifellos schon einiges von mir gehört. Vieles davon ist üble Nachrede, also erlauben Sie mir, ein paar Dinge klarzustellen. Ich kam 1933 zur Londoner Residentur, als oberster Stellvertreter des Residenten (Deckname »Marr«), um dann, nach seiner unerwarteten Rückbeorderung nach Moskau und anschließenden Hinrichtung, selbst zum Residenten aufzusteigen. In beiden Positionen habe ich die Moskauer Zentrale davon zu überzeugen versucht, die Bemühungen, hochrangige britische Diplomaten oder Politiker zu rekrutieren – was wir Profis »Zugang rekrutieren« nennen –, einzustellen oder zumindest herunterzufahren. Meiner Meinung nach sollten wir uns stattdessen auf längerfristige Unterwanderungen konzentrieren: Nach dem großen Krieg war eine ganze Generation von der herrschenden Klasse enttäuschter britischer Intellektueller herangewachsen, die angesichts der nach dem Börsenkrach 1929 explosionsartig in die Höhe schnellenden Arbeitslosigkeit am kapitalistischen Märchen, dass jeder sein Stück vom Kuchen bekäme, zu zweifeln begann. Eine Generation, die der marxistischen Analyse des unausweichlichen Niedergangs des industriellen Kapitalismus zuneigte und mit Hitlers Aufstieg in Deutschland die Sowjetunion als Bollwerk gegen den Faschismus zu begreifen begann. Ich hatte sogar das Epizentrum dieses politischen Bebens ausgemacht, und zwar in den geheiligten Hallen der im mittelalterlichen Cambridge gelegen Universität, oder genauer gesagt, in einer ihrer angesehensten Einrichtungen, dem Trinity College. Zu Beginn des Jahrzehnts hatte sich die aufkommende sozialistische Bewegung auf dem Campus noch darauf beschränkt, auf ihren Treffen laut aus dem
Daily Worker
vorzulesen, Flugblätter zu verfassen und abendliche Diskussionsrunden zu organisieren, bei denen sich die Mitglieder der Sozialistischen Gesellschaft mit etwas Glück die sozialistisch denkenden Mädchen ins Bett diskutierten. Als dann eine Handvoll wirklicher Proletarier, ein halbes Dutzend Bergarbeiter, die ihre Äpfel mitsamt dem Gehäuse aßen, an die Universität kam, bildete sich eine kommunistische Zelle. Die Bergleute, die sich Seile um den Leib hatten binden müssen, um mit Kohle gefüllte Trommeln aus den schlecht belüfteten Stollen zu ziehen, hatten 1926 an dem bitteren, dreißig Wochen währenden Streik teilgenommen – alles nur, um sich dann doch durch Stipendien für das Studium in Cambridge kaufen zu lassen. Daher war ich an ihnen nicht wirklich interessiert. Ich wollte junge, eifrige, linksintellektuelle Upperclass-Sprösslinge rekrutieren, die bereit waren, sich der internationalen Bewegung gegen den Faschismus zu verschreiben. Der Gedanke war, ihre Karrieren zu begleiten und darauf zu hoffen, dass sie zu Fleet-Street-Journalisten wurden oder gar in den Dienst des Foreign Office traten. Wenn wir nur mit Bedacht die richtigen Rekruten auswählten, würden diese mit der Zeit in führende, wichtige Positionen aufsteigen und uns somit einen Einblick in das Denken dieses Staates gewähren und uns vielleicht sogar einige seiner Geheimnisse offenbaren.
    Das war mein Vorschlag, an dem die Moskauer Zentrale mit der gewohnten mangelnden Begeisterung für neue Ideen herumkaute, als mir Harold Adrian Philby förmlich in den Schoß fiel.
    Ich sollte gleich sagen, dass mir Philbys Name nicht unbekannt war. Sein Potenzial für eine mögliche Anwerbung war der Zentrale bereits in Wien durch eine junge ungarisch-jüdische Genossin zur Kenntnis gebracht worden. Sie hieß Litzi Friedmann. In einem der halbmonatlichen Berichte ihres Führungsoffiziers, Deckname »Arnold«, wurde ein junger britischer, der Oberschicht entstammender Sozialist erwähnt, der gerade am Trinity College seinen Abschluss gemacht hatte. Genossin Friedmann beschrieb ihn als flammenden Antifaschisten, der mit dem Motorrad bis nach Österreich gefahren war, um sich dem Kampf gegen Diktator Dollfuß anzuschließen. Die Moskauer Zentrale war interessiert genug, um dem Engländer einen Decknamen (»Söhnchen«, auf Englisch
Sonny
) zu geben und mich nach Wien zu schicken, wo ich an einem der Treffen Arnolds mit

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