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Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)

Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)

Titel: Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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Morgenstunden darüber debattiert, ob es einen Sinn hatte, den
Daily Worker
an die hundemüden Arbeiter auf der anderen Seite der Eisenbahnbrücke in Romsey Town zu verteilen. Das Gute war jedoch, dass Philby, der sich, als er die Universität verließ, als Sozialist verstand, zwar in die neu entstehende Cambridger kommunistische Zelle hineingeschnuppert hatte, ihr jedoch durch glückliche Umstände nie beigetreten war. Das bedeutete, dass sein Name so makellos wie ein frisch geprägter Halfpenny war, falls er für eine Anstellung in der Regierung oder der Fleet Street durchleuchtet werden sollte.
    Ich bat die Moskauer Zentrale um Erlaubnis, Harold Adrian Philby für den sowjetischen Geheimdienst rekrutieren zu dürfen. Die Zustimmung wurde mir sofort per Telegramm erteilt. Selbstverständlich gab ich Litzi Friedmann detaillierte Instruktionen, um sicherzugehen, dass sie und der junge Philby auf dem Weg zu unserem ersten Treffen im Regent’s Park nicht observiert wurden. Sie durfte ihm nur sagen, dass er jemand Wichtiges treffen werde. Sonst nichts. Sie sollten drei verschiedene Taxis nehmen und jedes Mal aussteigen, bevor sie das ursprünglich dem Fahrer genannte Ziel erreichten. Sie sollten durch Einbahnstraßen gehen, gegen die Fahrtrichtung, um so einer Überwachung aus dem Auto heraus vorzubeugen. Schließlich sollten sie im Kaufhaus Harrods mit dem Aufzug in die oberste Etage fahren, über die Treppe wieder herunterkommen und das Geschäft durch eine andere Tür als beim Hereinkommen verlassen, und zwar durch eine, die auf die immer belebte Brompton Road hinausführte. Der gesamte Prozess musste mindestens drei Stunden dauern.
    Ich selbst bediente mich meiner gewohnten Technik, einer Überwachung zu entgehen. Die sowjetische Botschaft stand Tag und Nacht unter Beobachtung. Ich hatte sogar schon Männer mit Ferngläsern und Filmkameras auf Stativen hinter Jalousien schräg gegenüber von unserem Haupteingang entdeckt. Zusammen mit meinem Fahrer und meinem Sekretär (der sich im Kofferraum versteckte) stieg ich im Hof in eine unserer Limousinen. Wir fuhren durchs Tor und fädelten uns in den Verkehr ein. Mein Fahrer, der einige Erfahrung im Abschütteln von Verfolgern hatte, identifizierte sofort zwei Wagen, die uns in diskretem Abstand folgten. Meinen Anweisungen bis ins Detail folgend, machte er keinerlei Versuch, die beiden auf den verstopften Straßen abzuhängen. Stattdessen bewegten wir uns gemächlich durch den Vormittagsverkehr Richtung Hampstead und seiner Heide. Als Hampstead Heath in Sicht kam, bog mein Fahrer gegen die Fahrtrichtung in eine schmale Einbahnstraße. Ein Bobby an der nächsten Ecke hob die Hand, bis er unser Diplomatenkennzeichen sah, woraufhin er sich damit begnügte, uns zum Abbiegen aufzufordern. Was wir auch taten. Mein Fahrer fuhr in einen schmalen Durchgang und hielt kurz hinter einem chinesischen Restaurant, damit mein Sekretär meinen Platz auf dem Rücksitz einnehmen und ich eine Melone und einen Schirm aus dem Kofferraum holen konnte. Daraufhin fuhr die Limousine weiter, und ich ging mit dem Hut auf dem Kopf in die Gegenrichtung. Ich hatte keine Schwierigkeiten, mich unbemerkt unter die Fußgänger auf der Straße zu mischen. Ich betrat den nächsten U-Bahnhof, stieg in den einfahrenden Zug und eine Station weiter wieder aus und wechselte mehrfach die Richtung, bis ich überzeugt war, dass mir niemand folgte. Erst jetzt fuhr ich zur U-Bahnstation Regent’s Park, verließ den Bahnhof und spazierte gemächlich in nördlicher Richtung durch den Park auf den Zoo zu. Ich bog in einen wenig frequentierten Weg ein, setzte mich auf eine Bank und sah auf die Uhr. Es war genau elf Uhr dreiunddreißig, als ich Litzi Friedmann aus Richtung des im Vorjahr eröffneten Rundhauses, das ein Gorillapärchen beherbergte, in meine Richtung kommen sah. Oh, diese Engländer, wenn sie ihre Arbeiter so gut behandelten wie ihre Gorillas, könnte man sie fast mögen. Ein schlanker junger Mann, etwa einen Kopf größer als sie, ging mit zwei Schritten Abstand schräg hinter Litzi Friedmann. Als sie noch rund zwanzig Schritte entfernt waren, hob ich einen Zeigefinger. Das war die abgesprochene Geste, mit der ich fragte, ob sie sicher sei, nicht verfolgt zu werden. Sie nahm ihren Strohhut ab (das Haar darunter platinblond) und fächelte sich damit Luft zu. Was bedeutete, dass sie alle Instruktionen befolgt hatte und ihnen niemand auf den Fersen war. Sie blieb stehen, um mit dem jungen Mann ein Wort zu

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