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Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)

Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)

Titel: Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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wechseln, nickte in meine Richtung und ging zurück zum Zoo. Der junge Mann kam näher. Ich stand auf und reichte ihm die Hand. »Hallo«, sagte ich.
    Er schüttelte sie. »Hallo.«
    »Sie müssen der Harold Philby sein, von dem Litzi Friedmann so begeistert erzählt hat.«
    »Was immer sie Ihnen gesagt hat – es war sicher übertrieben. Sie hat allerdings vergessen, Ihren Namen erwähnen.«
    »Nennen Sie mich Otto«, sagte ich, und ging zur Bank. Wir setzten uns. »Haben Sie etwas dagegen, wenn ich Sie Harold nenne?«
    »Ich ziehe meinen Spitznamen vor: Kim.«
    »Dann also Kim.« Ich zog ein Päckchen englische Zigaretten aus der Tasche. »Rauchen Sie?«
    Er nahm sich eine. Ich zündete mir auch eine an. Der Rauch unserer Zigaretten mischte sich, während wir einander musterten. Philby fragte: »Darf ich annehmen, dass d-d-das hier mit meinem Antrag, in die Kommunistische P-P-Partei aufgenommen zu werden, zu tun hat?«
    Sein Stottern hatte Litzi Friedmann nicht erwähnt. »Sie dürfen annehmen, was immer Sie mögen«, sagte ich mit einem fröhlichen Lachen, »obwohl Sie damit in diesem Fall danebenliegen.«
    »Ah, ja. Verstehe.«
    »Was verstehen Sie?«
    »Ich verstehe, dass dieses T-T-Treffen eine größere Bedeutung hat, als es auf den ersten Blick schien.«
    Am Abend vor meinem Treffen mit Philby hatte ich mir die Mühe gemacht, ein Skript zu entwerfen, ganz so, als handelte es sich bei unserem Treffen um eine Art Hörspiel. Dabei hatte ich den Rat meines verstorbenen Vorgängers beherzigt, den er mir im Hinblick auf die Anwerbung möglicher Agenten gegeben hatte: Der Ton ist mindestens so wichtig wie die Worte selbst. So war alles, was ich jetzt noch zu tun hatte, als ich da auf dieser Bank im Regent’s Park saß und mein Gegenüber anblinzelte, weil die Sonne so grell schien, meine selbst gewählte Rolle zu spielen: Ich musste ihm das Gefühl geben, ich sei eine verwandte Seele und ein Freund fürs Leben. »Wenn Sie der Partei beitreten wollen«, begann ich, »werden Sie natürlich mit offenen Armen in ihren Reihen aufgenommen werden.«
    »Ich will in die Partei. Ich will mich am K-K-Kampf gegen den Faschismus und den Wirtschaftskapitalismus beteiligen.«
    »Der Kampf wird auf vielen Ebenen geführt. Wenn Sie wollen, können Sie Ihre Tage damit verbringen, der arbeitenden Klasse den
Daily Worker
zu verkaufen. Aber nach allem, was ich von Miss Friedmann höre, wäre das eine Verschwendung Ihrer Zeit und Fähigkeiten.«
    Söhnchen – aber da die Szene, die ich beschreibe, in London spielt, sollte ich wohl eher die englische Übersetzung seines Decknamens benutzen –, Sonny schienen meine Worte zu verblüffen. »Was sind denn meine Fähigkeiten?«, fragte er.
    Eine elegant gekleidete Frau in einem langen Rock, die einen Hund an einer silbernen Kette spazieren führte, näherte sich. Ich wartete, bis sie an uns vorbeigegangen und außer Hörweite war. »Ihrer Herkunft, Ihrer Ausbildung, Ihrem Auftreten und Ihren Umgangsformen nach sind Sie ein Intellektueller. Sie können sich in der Bourgeoisie bewegen, ohne aufzufallen. Wenn Sie wirklich einen bedeutenden Beitrag zur antifaschistischen Bewegung leisten wollen, ist ein Beitritt zur Britischen Kommunistischen Partei nicht die Lösung. Die Alternative, die ich Ihnen vorschlagen möchte, birgt durchaus Risiken und ist nicht ungefährlich. Aber der Lohn – sowohl in Form persönlicher Erfolge als auch in Form der tatsächlichen Verbesserung der Lage der arbeitenden Klasse weltweit – wird immens sein.«
    Ich sehe ihn noch vor mir, wie er auf seine Schuhe starrte, während ich meinen Text herunterspulte. Dann blickte er mich plötzlich mit seinen eisblauen Augen an. »Wer sind Sie?«
    »Wie ich sagte, heiße ich Otto.«
    »Ich b-b-bin nicht von gestern. Wenn es I-I-Ihnen gefällt, Otto genannt zu werden, werde ich Sie Otto nennen. Aber wer
sind
Sie? Wen
vertreten
Sie?«
    »Ist das wichtig?«
    Er überdachte meine Worte. Es war ein unbehaglicher Moment, mit seinen unbeantworteten – und unbeantwortbaren – Fragen in der Luft zwischen uns.
    Ich kann tatsächlich den genauen Augenblick benennen, als ich angefangen habe, Sonny als Menschen zu mögen. Als Genossen. Er hätte seine Frage wiederholen können. Er hätte das Schweigen verlängern können, was auch eine Art gewesen wäre, auf einer Antwort zu bestehen. Er zuckte jedoch nur mit den Schultern, was ich ihm immer hoch anrechnen werde. »Dann werde ich mir wohl meinen Teil denken müssen«, sagte er.
    Ich

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