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Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)

Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition)

Titel: Philby: Porträt des Spions als junger Mann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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Colonel, laut des metallenen Namensschildes direkt über seiner Brusttasche ein gewisser »Ch. de Gaulle«, suchte nach Panzerketten, die in das Depot gebracht worden waren, obwohl es auf der Maginot-Linie selbst gar keine Panzer gab. »Monsieur Maginots Befestigungen sind völlig wertlos«, erklärte uns der verzweifelte Colonel, sehr zum Unbehagen unserer Presseaufseher. »Die Deutschen werden sie nicht angreifen, sondern einfach umgehen. Der nächste Krieg wird mit Panzern geführt und von der Seite gewonnen, die mobiler ist. Und um mobil zu sein,
chers messieurs,
brauchen meine Panzer Ketten!« Der Caporal-Chef, der die rautenförmigen Abzeichen des Berufssoldaten auf seinem Ärmel trug, stand seinen Mann und weigerte sich, de Gaulle die Ketten ohne schriftlichen Befehl zu überlassen, in dreifacher Ausfertigung und vom Abschnittskommandanten unterzeichnet. Mit zusammengezogenen Brauen, die deutlich machten, dass ihm Geduld und Argumente ausgingen, zog der Colonel den Riemen seines Helmes unterm Kinn fest, formte mit Daumen und Zeigefinger eine Pistole und richtete sie auf die Kriegsorden an der Brust des Caporal-Chefs. »Brechen Sie Ihre Erkennungsmarke entzwei«, befahl der Colonel, als hielte er eine richtige Waffe in den Händen. (Die an einem Armband getragenen Marken sind zweigeteilt, mit dem Namen des Trägers auf beiden Hälften. Kommt dieser auf dem Schlachtfeld um, wird die Marke auseinandergebrochen und eine Hälfte auf den Sarg genagelt.) Der verwirrte Caporal-Chef wusste nicht, ob er die Finger des Colonels als Scherz oder Drohung auffassen sollte. Er sah zu uns herüber, als hoffte er, wir würden die Situation klären, zuckte dann aber mit den Achseln, stempelte einen Schein ab und zeigte in Richtung der Kisten mit den Panzerketten. De Gaulles Männer luden sie sogleich auf zwei Lastwagen. De Gaulle selbst zwängte sich in den Beiwagen eines Motorrads, reckte die Faust in die Höhe, um den Lastwagen zu bedeuten, dass sie ihm folgen sollten, und machte sich mit seiner Beute aus dem Staub.
    Wohlgemerkt, Mr Deakin, ein
vorgetäuschter
Krieg ist allemal besser als ein richtiger. Die Zeit zwischen den gelegentlichen Vorstößen auf Rübenfelder und zur trostlosen Maginot-Linie verbrachte ich im Hôtel du Commerce, stopfte mich (auf Ihre Kosten) mit
Foie gras de Strasbourg au porto
voll, trank Armagnac
hors d’âge
und spielte bis in die frühen Morgenstunden Poker. Abgesehen von dem Zwischenfall in der unterirdischen Lagerhalle fanden die einzigen Scharmützel, bevor Hitlers Panzer zuschlugen, zwischen den in Arras wartenden Auslandskorrespondenten und den Presseoffizieren des BEF statt, die schon die bloße Erwähnung des Wetters über Flandern für einen Fall von Hochverrat hielten. Bei einer denkwürdigen Gelegenheit weckte mein Exemplar von
Unter der brennenden Sonne
den Zorn des diensthabenden Zensors des BEF, eines Colonels der Reserve mit Haarbüscheln auf den Wangenknochen, die aussahen, als wären sie mit Wagenschmiere eingerieben. Auf dem Namensschild aus Messing auf seinem Tisch stand: »M. R. Protheroe, amtierender Hauptzensor«. »Sie spionieren für jemanden, Philby«, verkündete er beleidigt und schwärzte einen anstößigen Ausdruck mit einem dicken Stift. Die Backen des Colonels der Reserve zitterten, als er auf sein wertvolles Zensorensiegel hauchte und den verbliebenen Rest meines Berichts abstempelte, damit der vom Telegrafen in seiner Wellblechhütte oben auf dem Dach des Hôtel du Commerce durch den Äther geschickt werden konnte. »Unter der brennenden Sonne!«, fauchte Colonel Protheroe. »Genau das, was die Luftwaffenpiloten der Hunnen wissen müssen, um unsere Stellungen in Flandern anzugreifen.«
    »Die Luftwaffenpiloten der Hunnen haben im Moment genug damit zu tun, Warschau zu bombardieren, das grob geschätzt etwa tausend Meilen von hier entfernt liegt«, bemerkte ich.
    Dieser Colonel Protheroe hatte den Charakter eines kleinen Wadenbeißers »Sie arbeiten noch für jemand anderen als die
Times,
Philby«, sagte er. »Ich verspreche Ihnen, dass ich dem auf den Grund gehen werde. Wer bezahlt Sie für Ihre Wetterinformationen?«
    »Die
Prawda«
, antwortete ich. »›Unter der brennenden Sonne‹ sind die Codewörter für: Das BEF hat fast kein Kräutersonnenöl mehr.«
    »Dass Sie ernste Angelegenheiten auf die leichte Schulter zu nehmen pflegen, ist bereits aktenkundig«, verkündete der Colonel. »Die Hunnen mit Wetterinformationen zu versorgen, die sich dafür nur ein

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