Philosophenpunsch
drauflos fragen. »Er hat doch behauptet, er kenne Veronika. Hat er Ihnen vielleicht gesagt, woher?«, wollte er von Julia wissen.
»Sie sind miteinander aufgewachsen. Eine Zeitlang sind sie auch zusammen zur Schule gegangen, glaube ich.«
Leopold glaubte zu bemerken, dass Julia von dem Augenblick an, wo er sie nicht mehr mit allen möglichen Vorwürfen quälte, mitteilungsbedürftiger wurde. Er beschloss, das auszunützen. »Und dann will sie auf einmal nicht mehr wissen, wer er ist«, meinte er kopfschüttelnd, während er zwei große Braune zubereitete. »Das war natürlich nicht fein von ihr. Aber um Geld ist es ihm doch auch gegangen.«
»Ja, er ist sich richtiggehend verarscht vorgekommen.«
»Weil er ihr was geborgt und nicht zurückbekommen hat.«
Julia schaute Leopold kurz ungläubig an. »Nein, so war das nicht, also zumindest nach dem, was ich gehört habe. Mario hat Veronika bei irgendwas geholfen, ihr und ihrem Freund. Er hat sich nicht näher darüber geäußert, aber es soll ein richtiger Freundschaftsdienst gewesen sein, nicht mit Geld aufzuwiegen, aber auf der kleinen Anerkennung, die man ihm versprochen hat, hat er bestanden. Ihr muss das total unangenehm gewesen sein, wahrscheinlich war sie ziemlich flach.« Julia wiegte den Kopf hin und her. »Darum hat sie ihm dann wohl auch noch ein paar Scheine gegrapscht. Na ja, jetzt ist sie ohnehin tot und hat nichts mehr davon«, fügte sie gleichgültig hinzu.
»Vielleicht hat Ihr netter Mario da noch ein wenig nachgeholfen«, goss Leopold erneut Öl ins Feuer.
»Sie sehen offenbar in jeder Frau ein leichtes Mädchen, und in jedem Mann einen Mörder«, protestierte Julia. »Also, so etwas traue ich Mario einfach nicht zu. Aber das ist nicht so wichtig. Vielleicht taucht Thomas irgendwann einmal hier auf. Rufen Sie mich dann bitte an, das ist meine Nummer. Langsam mache ich mir nämlich Sorgen um den blöden Kerl.«
»Ist schon in Ordnung«, versicherte Leopold. Während er ihr noch kurz dabei zusah, wie sie aus dem Lokal hinaushuschte, begann sich das Heller schon in aller Frühe zu füllen. Er hatte deshalb gar keine Zeit, sich noch lange über die neuen Ausritte seines Freundes Thomas Korber den Kopf zu zerbrechen, geschweige denn sich darüber Gedanken zu machen, wie tief Mario Schweda nun wirklich in der Tinte steckte. Es hieß jetzt, im Geschäft seinen Mann zu stehen und einen Gang zuzulegen.
Während Frau Heller den Kaffee braute, war das dazugehörige Tablett mit dem obligaten Glas Wasser herzurichten, das Ganze allenfalls mit einem Körberl frischen Gebäcks an den betreffenden Tisch zu bringen. Ein Glas Apfelsaft hier, eine Flasche Bier dort waren rasch, aber nicht hingehudelt, sondern immer mit der nötigen Aufmerksamkeit zu servieren. Schließlich war den Sonderwünschen einiger Stammgäste Rechnung zu tragen: »Bitte mir die Frankfurter Allgemeine unbedingt weglegen, dass ich sie dann am Montag mitnehmen kann, und nicht vergessen wie beim letzten Mal.« »Leopold, kannst du mir schnell mit einem Zwanziger aushelfen, kriegst ihn ganz bestimmt nach Weihnachten wieder.« »Wenn meine Frau anruft, bin ich nicht hier, hast du gehört, Leopold?« Alles war mit der allerhöchsten Diskretion zu erledigen, dabei der freundliche Umgangston stets zu bewahren und vor allem die Contenance nicht zu verlieren. Da blieb nicht einmal Zeit für die allerkleinste Plauderei, die man unter Umständen mit einem kurz auf einen Vorweihnachtstrunk vorbeikommenden Stammgast aus früheren Tagen führen wollte. Die gestrengen Augen von Frau Heller überblickten alles und schauten dazu, dass kein Schlendrian einriss.
Als Leopold gerade eine heiße Schokolade und einen Früchtetee routiniert durch die Gegend jonglierte, begann sein Handy unbarmherzig zu läuten. Was tun? In dieser Situation einen Anruf entgegenzunehmen, grenzte gewissermaßen an Tollkühnheit. Dennoch siegte in Sekundenbruchteilen Leopolds Neugierde über seine Dienstbeflissenheit. Mit einem diskret genäselten »Wohl bekomm’s, meine Damen« stellte er die zwei Tabletts am zweiten Fenstertisch ab und meldete sich.
»Hallo! Spricht dort nicht Agnes Windbichler?«, hörte er eine weibliche Stimme.
»Nein, ihr Neffe Leopold«, antwortete er. Offensichtlich hatte Tante Agnes seine Telefonnummern bereits großzügig in ihrem Bekanntenkreis verteilt. Wenn sie nichts dafür zu bezahlen hatte, war sie tatsächlich nicht kleinlich, was das Telefonieren anging.
»Ach, der Leopold. Hier spricht
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