Philosophenpunsch
mich, oder hast du das vorhin von Schweda zugesteckt bekommen?«
»Das ist nur eine kleine weihnachtliche Aufmerksamkeit für die Tante«, erklärte Leopold. »Du weißt, ich kann nicht so einfach von der Arbeit weggehen, und da war der Schweda eben so nett und hat es vorbeigebracht.«
»Und was hast du dafür bezahlt?«, lauerte Juricek.
»Bei einem Geschenk fragt man nicht nach dem Preis«, druckste Leopold herum.
»Na schön, ich frage auch nicht mehr weiter, aber das eine sage ich dir: Wenn du Schweda irgendwelche Versprechungen gemacht hast, seine unangenehme Situation in dieser Angelegenheit betreffend …« Juricek hob drohend den Zeigefinger.
Leopold wurde die Sache unangenehm. »Ist schon gut«, lenkte er ab. »Erzähl mir lieber, was gestern bei dem Verhör herausgekommen ist.«
Und so informierte Juricek Leopold in kurzen Worten, schlürfte dazwischen immer wieder von seinem Punsch und knabberte an der Weihnachtsbäckerei, die Frau Heller vor ihn hingestellt hatte. »So hab ich mir’s gedacht«, sagte Leopold, als er mit seinem Bericht zu Ende war. »Alle Verdächtigen so knapp beieinander, und doch hat keiner etwas vom anderen gewusst. Keiner hat etwas gesagt, um sich nicht selbst zu belasten. Dann taucht auf einmal das Auto auf dem Parkplatz auf. Von da an habe ich begonnen, in eine andere Richtung zu denken.«
»Wir auch«, pflichtete Juricek ihm bei. »Und weißt du was, Leopold? Bollek hat von Beginn an prophezeit, dass der Mord vom Parkplatz ausgegangen ist.«
»Lass mich doch bitte mit deinem Bollek zufrieden«, bat Leopold händeringend. »Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer.«
»Sei nicht ungerecht, es ist Weihnachten. Außerdem hat der Arme in der Hitze des Gefechtes das Weihnachtsgeschenk für seine Freundin geopfert. Wir haben ihm das Parfum noch schnell aus der Kaffeekasse ersetzt.« Juricek trank aus und stand auf. »Ich werde mich jetzt besser auf den Heimweg machen«, sagte er. »Bei uns zu Hause werden die letzten Vorbereitungen getroffen, da wird man langsam auf mich warten. Die ganze Sache wird uns ohnehin noch länger beschäftigen: die Geschichte mit dem Überfall auf das Kleidergeschäft, Angerers Attacke gegen Klein, schließlich noch Bianca Roths Ausraster im Spital. Da ist nach den Feiertagen genug zu tun.« Einen Augenblick wurde er nachdenklich. »Für euren Philosophenzirkel ist das alles ja fatal«, fiel ihm ein. »Der ist dadurch praktisch in Auflösung begriffen.«
»Die Sorge habe ich nicht«, meldete sich da Frau Heller lautstark von hinter der Theke zu Wort. »Heute hat uns Herr Stolz besucht, um uns frohe Weihnachten zu wünschen. Und wessen Bekanntschaft hat er da gemacht, glauben Sie? Die eines gewissen Herrn Beck, eines Deutschen, der seit kurzer Zeit in Österreich arbeitet und öfters zu uns ins Lokal kommt. Dieser Beck hat ihm zu erkennen gegeben, dass er sich sehr für philosophische Gedanken interessiert, insbesondere für irgendeinen kantigen Imperativ. Die beiden waren sofort ein Herz und eine Seele, gleich nach den Feiertagen werden sie hier eine Besprechung abhalten. Für weitere geistig hochstehende Debatten wird also gesorgt sein, meine Herren, und ich werde meinen Punsch dazu liefern.«
*
Als sich die letzten Gäste anschickten, das Heller zu verlassen, trafen Agnes Windbichler, Julia Leichtfried und Thomas Korber ein. Frau Heller lud Thomas und Julia gleich ein, zur Bescherung zu bleiben.
»So ein schöner Baum«, schwärmte Tante Agnes zu Leopold. »Du wirst staunen. Deine Freunde haben sich ja eine solche Mühe gegeben.«
»Das freut mich«, lächelte Leopold verlegen. Gleichzeitig winkte er Thomas Korber zu sich. Er stellte sich mit ihm ein wenig abseits der anderen. »Na, wie waren so die letzten Nächte mit deiner neuen Bettgenossin?«, fragte er aufdringlich. »Hast du dich ordentlich ausgelebt?«
»Leopold, bitte rede nicht von Dingen, die du nicht verstehst«, protestierte Korber.
»Von so etwas versteh ich immer noch genug. Erstens kenne ich dich, und zweitens habe ich Augen im Kopf. Dein Griff auf Julias Popsch vorgestern Abend war ja ziemlich eindeutig. Du hoffst also, dass es bei der einen was wird und übst zwischenzeitlich mit einer anderen. Eine schöne Einstellung ist das!«
»Halt mir keine Moralpredigt! Zwischen Geli und mir herrscht derzeit Funkstille, wie du weißt. Ich habe alles versucht, sie wieder zu versöhnen, aber sie hat den Kontakt zu mir abgebrochen. Ich muss mich damit abfinden. Julia ist nur ein paar
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