Philosophie ist wie Kitzeln im Kopf (German Edition)
gut für uns, auf der Erde drauf. Aber, jetzt kommt was ganz Wichtiges, das müsst ihr wissen, hört mir gut zu, ehe ihr über den Thales kichert, der sich so geirrt hat! Seinen Philosophen-Kollegen, die sich Gedanken gemacht haben über Feuer, Luft und Erde, ging ’ s auch nicht besser! Davon später. Lucas, könntest du mal bitte das Krokodil anhalten? Danke! Und würde Baby jetzt mal die Schnauze halten, wär ’ s auch nicht schlecht.«
Keiner von uns kichert, weil, der Prof faltet die Hände, als wolle er beten, und er sieht so aus, wie er selten aussieht, nämlich richtig andächtig. Wir sind alle mucksmäuschenstill, sogar Celia mit Daumen im Mund auf ihrem Krokodil und sogar Baby winselt und wackelt nicht herum, er hat sich auf die Füße vom Prof geplatscht und benagt still seine Turnschuhe.
Der Prof merkt es nicht.
»Von welchen allerersten Philosophen ich euch auch erzählen werde, eines müsst ihr wissen: Die waren allesamt nicht dümmer als wir, sie hatten nur noch nicht die Möglichkeiten, die wir heute haben. Wir haben Geräte, wir können damit Experimente machen. Wir können messen, wir können vergleichen, wir können nachlesen, wir können … ach, was erzähle ich da! Was wir wissen können und was wir tun sollen, ist doch nichts anderes, als herauszufinden, was nicht funktioniert, merkt auf, meine Freunde! Was nicht funktioniert! Somit probieren wir was Neues aus und hoffen …« Er schlenkert seinen Fuß, Baby nagt immer noch. Wenn der noch lange so nagt, ist der Turnschuh gleich kaputt.
»Freunde!«, ruft der Prof, und so ernst hat er noch nie gerufen.
» Nicht funktioniert, ich wiederhole es! Wichtig, wichtig, wichtig! Lisa, schreib auf oder lass es sein. Zuhören ist wichtiger! Reinschreiben ins Hirn noch wichtiger! Und jetzt kommt was, was mir am Herzen liegt! Unsere alten griechischen Philosophen, die zum ersten Mal die Welt mit ihrer Vernunft, der Ratio, betrachtet haben und nicht die Götter bemühten, die sind für mich wie Wissens-Riesen! Vom Mythos zum Logos, ihr erinnert euch. Auf deren Schultern sind Wissens-Zwerge geklettert, haben profitiert vom Wissen der Riesen, haben es korrigiert. Und dann sind auf deren Schultern wieder neue Zwerge geklettert, haben wieder korrigiert, neu gedacht und wieder Zwerge obendrauf, wieder neue Erkenntnisse und so weiter und so fort. Nichts anderes sind wir als Zwerge, die auf den Schultern derer stehen, die uns vorgedacht haben! Ohne unsere Riesen, Thales, Heraklit, Anaximenes, Empedokles und wie sie alle hießen – von denen erzähle ich später, erinnert mich daran – ohne diese Denk-Riesen, Wissens-Riesen, auf deren Schultern wir Denk- und Wissens-Zwerge stehen und weiter und weiter denken, wären wir immer noch dumpfe Geschöpfe, die auf Bäumen hockten und nach Bananen suchten. Na ja, verzeiht mir den Vergleich, er haut nicht ganz hin. Aber so wie Zwerg auf Zwerg steigt, häuft sich Wissen auf Wissen. Und, ganz wichtig, auch Irrtum auf Irrtum. Den wir immer wieder versuchen zu korrigieren. Freunde, wir irren uns hoch! Aber wir irren uns nicht runter und landen wieder beim Mythos, beim Glauben, nein, wir irren uns empor!«
Er wirft die Arme hoch in die Luft und seine Augen hinter der Brille glitzern.
»Wir irren uns empor! Ist das nicht ein wunderbarer Gedanke, dass wir das können? Nur, weil unsere ersten Philosophen beschlossen haben, ihre Ratio, ihre Vernunft zu benutzen und nicht mehr die Götter für alles verantwortlich zu machen? Natürlich haben sich unsere ersten Naturphilosophen in vielem geirrt, Geduld, Geduld, von ihnen und ihren Irrtümern erzähle ich noch, erinnert mich daran. Mir ist es so wichtig, dass ihr begreift, ein Irrtum muss nicht entmutigen, sondern soll ein Ansporn sein, weiter zu denken, genauer zu denken, anders zu denken. Aber sagt mal …«
Er ruckelt an seiner Brille, er kratzt sich am Bart.
»Habe ich euch das denn nicht schon mal erzählt?«
Wir kichern ein bisschen, wir nicken ein bisschen, hat er, nur mit anderen Worten. Aber unserem Prof zuzuhören, wie der Gaul wieder mal mit ihm durchgeht, das ist immer spannend. Weil, das hat ja auch immer was direkt mit uns zu tun, meine ich. Und wenn er ’ s zwei Mal erzählt, klebt ’ s besser in unseren Köpfen.
In Tims Kopf brodelt es, ich seh ’ s genau, er nimmt sogar seine ewige Kappe ab.
»Wenn ich mal wieder was falsch gemacht hab und zu viel genascht hab oder so, dann war das ein Irrtum, den kann ich korrigieren«, brummelt er und seufzt tief
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