Philosophie ist wie Kitzeln im Kopf (German Edition)
»Danke, meine allerbeste Ida!«. Macht nichts, er ist halt immer noch aufgeregt.
Und so aufgeregt ruft er auch: »Alle Mann Achtung, bitte weit weg vom Scheiterhaufen, sehr weit weg, bitte noch weiter weg!«
Er zündet den Scheiterhaufen an, gleich züngeln Flämmchen hoch, die werden zu Flammen. Toll sieht das aus in der Dunkelheit, es knistert und knackt und leuchtet.
Wir staunen andächtig ins unruhige Feuer. Nur Tim staunt nicht, der verteilt das Abendessen. Käsebrote, Pizza-Stückchen, Radieschen, Gurken, Tomaten, Bananen und eben die Würstchen. Die dürfen wir auf Stöckchen stecken und überm Feuer braten, ich brate mir eine Banane. Unter strenger Aufsicht vom Prof. Seine Augen sind überall. Meine Banane klatscht leider gleich ins Feuer.
»Tut mir leid, Ida!«, sagt der Prof und blinzelt mir zu. Na, wenigstens das. »Das Feuer frisst offenbar nicht nur Holz, sondern auch Bananen. Hier!« Er reicht mir einen Apfel. »Und jetzt sind wir auch wieder bei unserem Thema, Freunde, die Naturphilosophie. Das Feuer, auch ein Element, wir sehen es, wir kennen es. Das hat auch Heraklit begriffen. Der hat nämlich beobachtet, dass Feuer sich zwar ständig verändert, aber sich doch immer gleich bleibt. Seht ihr das?« Er deutet auf den Scheiterhaufen. Ja, stimmt. Da sind hohe Flammen, die flackern nach links und rechts, da sind aber auch nur so Glühpünktchen am Rande, da flackert nichts. Aber heiß sind die trotzdem. Probieren wir lieber nicht aus, sonst regt er sich wieder auf.
Der Prof wirft einen dürren Ast auf den Scheiterhaufen. Sofort zischen drei Flammen himmelhoch.
»Da seht ihr ’ s mal, Freunde, wie die Flammen kommen und gehen. Das Feuer ist nämlich so was wie ein Lebewesen. Solange es neue Nahrung bekommt, bleibt es auch am Leben. Füttern wir es nicht mehr mit Holz, kriegt es also keine Nahrung mehr, zack, geht es aus. Das weiß jeder, nicht wahr? Hat also alles aufgefressen. Zündet ihr zum Beispiel eine Kerze an, die hat eine stille Flamme, dann könnt ihr zum Beispiel sehen, wie diese ruhige Flamme die Luft um sich herum in Bewegung setzt. Schon mal gesehen?«
Nee, Prof, da hab ich nie drauf geachtet. Aber Tim nickt. So was!
»Um die Flamme von der Kerze wackelt ein bisschen die Luft, ganz golden. Das sieht aus wie in der Kirche, weil, da haben doch die Heiligen auch manchmal so was Goldenes um ihren Kopf. Mein Papa geht an Weihnachten immer mit mir in die Kirche.« Er kaut richtig nachdenklich an einem Pizza-Stück.
»Heiligenschein heißt das!«
Und wer das sagt, na, das ist wohl klar. Aber dass die Kerzenflamme einen Heiligenschein hat, der aus Luft besteht, das gefällt mir. Nur, die Kerze ist ja keine Heilige, die besteht aus Wachs. Und wenn sie ihr Wachs aufgefressen hat, zack, geht sie aus. Sie hat keine Nahrung mehr. Stimmt doch, Prof, oder?
»Stimmt, Ida.« Der Prof nickt mir zu. »Das Feuer ist ein Element, das immer Nahrung braucht. Kriegt es viel, lodert es hoch wie hier bei unserem Scheiterhaufen, seid so lieb, haltet Abstand, Brandwunden vertrage ich heute nicht mehr. Also, kriegt es wenig Nahrung, verglüht es. Für Heraklit war das Feuer ein wichtiges Beispiel dafür, wie sich was verändern kann, aber trotzdem sich gleich bleibt. Wie das Wasser, ihr erinnert euch. Das allerdings braucht keine Nahrung. Es fließt, aber Feuer kann auch fließen, oh ja! Wenn zum Beispiel auf einem Hügel ein Feuer ausbricht, fließt es blitzschnell den Hügel runter, beinah so schnell, wie Wasser fließen würde, und frisst dabei trockenes Gras und Zweige. Springen kann es auch, zum Beispiel Baumstämme hoch, wusch, steht der Baum in Flammen. Feuer kann wärmen und unsere Würstchen lecker braten, Feuer kann aber auch zerstören. Wie Wasser auch, es erfrischt uns am Meer, und plötzlich tritt ’ s über und überschwemmt Dörfer und ganze Landstriche. Wie sagt Tim so schön? Aus die Maus. Aber, Freunde, worauf ich jetzt hinauswill – also eigentlich sagt das Heraklit: Alles fließt. Das Fließende, das war für ihn das Allerwichtigste. Panta rei! Alles fließt! Ein faszinierender Gedanke.«
»Griechisch«, murmelt Lisa, na ja, wer auch sonst.
Der Prof nickt und starrt nachdenklich ins Feuer. Wir starren mit. Nur Celia nicht, die ist eingeschlafen und Baby auch. Zwei eingekringelte Pulli-Pelz-Häufchen.
Der Abend ist rabenschwarze Nacht geworden, der Funkelstern ist hinter dunklen Wolken verschwunden, die Bäume und den Hügel hat die Nacht geschluckt. Wir rücken alle ein bisschen
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