Phobia: Thriller (German Edition)
allerdings recht. Obwohl ich mir sicher bin, dass es die meisten dort gewusst haben.«
»Ja, ja, aber der Schein muss schließlich gewahrt bleiben, nicht?«, schmunzelte Somerville. Dann griff er in die Innentasche seiner Jacke und reichte Mark einen laminierten Ausweis.
Mark las seinen Namen darauf. Darunter prangte das Wappen des King’s College.
»Wofür brauche ich den?«
»Tja«, Somerville bedachte ihn mit einem beinahe entschuldigenden Blick, »betrachten Sie diesen Ausweis als mein kleines Begrüßungsgeschenk. Ich hätte Ihnen zwar sehr gern unser Gästezimmer angeboten, aber da ich mich noch vor der Beerdigung aus dem Staub machen werde, habe ich Sie im Wohnheim des Colleges untergebracht. Sie sind nun offizieller Gastdozent und können Ihr Zimmer nutzen, solange es Ihnen beliebt. Ich hoffe, das ist für Sie in Ordnung?«
»Vielen Dank, aber wenn ich das gewusst hätte, hätte ich mir auch ein Hotelzimmer nehmen können.«
»Genau deswegen habe ich es Sie nicht wissen lassen.« Der Professor zwinkerte ihm verschwörerisch zu. »Wissen Sie, Mark, ein Hotelzimmer hätten Sie für einen bestimmten und wahrscheinlich recht kurzen Zeitraum gebucht. Aber wenn Sie schon einmal in Ihre alte Heimat zurückkehren, können Sie sich doch auch ein bisschen mehr Zeit lassen, nicht wahr? Vielleicht hilft Ihnen der Blick zurück, den Weg nach vorn wiederzufinden. Oder haben Sie in nächster Zeit etwas Besseres vor?«
Mark betrachtete den Ausweis, dann schüttelte er den Kopf. »Solange das nicht bedeutet, dass ich vor Studenten reden muss, vielen Dank.«
»Keine Sorge«, Somerville lachte, »es sind sowieso bald Weihnachtsferien.«
Es dauerte noch eine Weile, ehe sie den Parkplatz des College-Wohnheims erreicht hatten, und Mark wurde den Eindruck nicht los, dass es noch etwas gab, das Somerville ihm zu sagen hatte. Aber wenn dem so war, umging er dieses Thema geschickt während ihrer weiteren Unterhaltung. Stattdessen sprachen sie über die Stadt und wie sie sich verändert hatte in den letzten Jahren, und Somerville hatte jede Menge Anekdoten zu erzählen.
Erst als sie neben dem Eingang zum Wohnheim hielten und Somerville Marks Tasche aus dem Kofferraum nahm, trat wieder dieser vielsagende Ausdruck in seine Augen.
»So, da wären wir«, sagte er und reichte Mark sein Gepäck. »Willkommen im guten alten London. Nun kommen Sie erst einmal in Ruhe hier an, und heute Abend sehen wir uns dann bei uns zu Hause. Wäre acht Uhr in Ordnung für Sie?«
Mark fiel auf, dass Somerville noch immer von uns sprach, obwohl es jetzt nur noch sein Haus sein würde, und ihm wurde klar, dass der Professor damit seine Trauer enttarnte.
Für ihn ist es noch immer unser Haus, dachte er, weil es so unendlich schwerfällt, loszulassen .
Er bedankte sich für die Einladung und wartete darauf, dass Somerville noch etwas hinzufügte. Etwas, das seinen wissenden Gesichtsausdruck erklärt hätte. Als sich der Professor ohne ein weiteres Wort zum Gehen wandte, beschloss Mark, in die Offensive zu gehen.
»Professor?«
Somerville blieb stehen. Er nickte zufrieden, ehe er sich wieder zu Mark umsah.
»Lionel«, sagte er. »Nennen Sie mich Lionel, wie alle meine Freunde.«
»Also gut, Lionel, ich möchte Sie gern noch etwas fragen. Es geht um unser Telefonat neulich, um die Andeutung, die Sie gemacht haben.«
»Ich weiß, was Sie meinen.« Wieder sah ihn Somerville mit seinem wissenden Lächeln an. »Und Ihre Neugier freut mich. Sehr sogar. Kommen Sie heute Abend vorbei, dann werde ich es Ihnen erklären. Ich habe etwas für Sie, das womöglich Ihr Leben verändern wird.«
21.
Das Zimmer im Wohnheim des King’s College war klein und zweckmäßig. Ein Bett, ein Schrank, ein kleiner Tisch mit einem Holzstuhl und die Nasszelle, das war alles. Die Toilette befand sich auf dem Gang. Es gab keine Bilder an den Wänden und auch sonst nichts, was den Raum auch nur annähernd wohnlich gestaltet hätte.
Eine Weile sah Mark aus dem Fenster in den Innenhof, auf dessen rötlichem Pflaster der Regen tanzte, und fragte sich, ob es wirklich richtig gewesen war, nach London zu kommen.
Natürlich hatte er Professor Otis sehr geschätzt. Sie hatten sich immer gut verstanden und auch noch lange Zeit nach seinem Studium den Kontakt aufrechterhalten – die Nachricht vom Selbstmord seines Doktorvaters war ein ziemlicher Schlag für ihn gewesen. Aber der Grund, warum er nun hier war, war nicht allein Otis’ Beerdigung. Vielmehr war es eine Flucht – vor
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