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Phobia: Thriller (German Edition)

Phobia: Thriller (German Edition)

Titel: Phobia: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wulf Dorn
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seinem Leben und vor etwas, für das er noch immer keinen Namen fand.
    Angst vielleicht.
    Oder Leere .
    Oder beides.
    Mark wandte sich vom Fenster ab. Er beschloss, trotz des Regens und des kalten Windes, einen Spaziergang zu machen.
    Das Themseufer lag unweit des Campus, und Mark konnte schon von Weitem das London Eye mit seinen futuristisch anmutenden Gondeln ausmachen. Bei seinem letzten Besuch hatte er für einige Stunden den Kongress für eine Fahrt mit dem Riesenrad geschwänzt. Damals war der Himmel strahlend blau und die Aussicht auf das Parlamentsgebäude phänomenal gewesen, doch heute würden die Touristen ihre Kameras eingesteckt lassen.
    Wegen des schlechten Wetters waren nur wenige Passanten am Victoria Embankment unterwegs, und als Mark schließlich die Millennium Bridge erreichte, fand er sie für einige Minuten menschenleer vor. Ein ungewohnter Anblick.
    Erst als er die Fußgängerbrücke betrat, kamen ihm von der gegenüberliegenden Seite ein Jogger und dahinter zwei junge Frauen entgegen, die sich laut lachend unterhielten, während der Wind an ihren Regenschirmen zerrte.
    Die Stelle, von der Professor George Otis gesprungen war, ließ sich leicht ausmachen. Ziemlich exakt in der Mitte der Brücke hatten Freunde und Studenten allerlei Blumen und sogar Kränze niedergelegt – bunte Farbtupfer im tristen Grau des späten Vormittags.
    Mark blieb an der Stelle stehen und sah zur Themse hinab, die träge und dunkel unter ihm dahinfloss. Er spürte die sanften Schwingungen der Brücke im Wind und musste an Lionel Somervilles Worte denken.
    Das hat etwas von Schweben, von Freiheit, verstehen Sie?
    Ja, Mark verstand, was er meinte, und er versuchte auch zu verstehen, was in Otis vorgegangen sein musste, ehe er das Seitengeländer erklommen hatte und gesprungen war.
    Ihm musste bewusst gewesen sein, dass ihn dieser Sprung nicht töten würde, dafür war die Millennium Bridge nicht hoch genug. Die Hornsey Lane Bridge im Norden der Stadt, die sich mit der Clifton Suspension Bridge in Bristol den traurigen Ruf als beliebteste Selbstmörderbrücke des Landes teilte, hätte sich für seine Absicht deutlich besser geeignet.
    Aber George Otis wäre niemals auf eine stark befahrene Straße gesprungen. Schon allein nicht wegen der Leute, die er dadurch in Gefahr gebracht hätte.
    George Otis war hier gesprungen, weil er das Wasser liebte , wie Somerville gesagt hatte. Er hatte die Arme ausgebreitet und sich mit den Füßen vom Geländer abgestoßen. Nur Sekundenbruchteile später war er in die Themse eingetaucht und schließlich ertrunken.
    Otis war ein sportlicher Mann gewesen, ein guter Schwimmer. Wie viel Überwindung musste es ihn gekostet haben, sich dem kalten Wasserstrom einfach auszuliefern?
    Wie viel Willensstärke?
    Wie viel Angst musste er gehabt haben?
    Nicht so viel Angst wie vor den Metastasen in seinem Kopf, die ihm früher oder später den Verstand und letztlich seine Persönlichkeit geraubt hätten , dachte Mark.
    »Hey!«
    Eine entfernte Männerstimme hinter ihm. Erschrocken fuhr Mark herum.
    Dieses »Hey«!
    Er sah einen Fahrradkurier, der auf ihn zuradelte. Sein neongelbes Regencape flatterte im Wind.
    »Hey! Sie! Warten Sie doch!«
    Wieder die Männerstimme, und dann erkannte Mark den Rufer in einiger Entfernung. Es war ein älterer Mann, der einen kleinen dunklen Gegenstand hochhielt.
    Im selben Augenblick bremste der Kurier und sah sich um.
    »Sie haben etwas verloren!«, rief der Mann dem Radler zu, und Mark atmete erleichtert auf. Der Hey-Ruf hatte nicht ihm gegolten.
    Diesmal nicht .
    Aber als Mark sich auf den Weg zurück zum Campus machte, schlug sein Herz noch immer wie wild.
    Dieses »Hey«, das seit jenem Abend vor anderthalb Jahren in seinem Kopf nachhallte …
    Wann würde es endlich verstummen?
    22.
    »Fuck!«
    Sarah packte den nächstbesten Gegenstand, den sie in die Finger bekam, und schmetterte ihn zu Boden.
    Stephens schwarzer Stifteköcher barst in zahllose Plastiksplitter, und ein Heer von Kugelschreibern schlitterte über den Parkettboden des Arbeitszimmers. Die meisten stammten aus Hotels, in denen ihr Mann während der letzten Jahre übernachtet hatte, wenn er zu Kunden oder Bauabnahmen oder anderen Geschäftsterminen unterwegs gewesen war. Seine heimlichen Reisesouvenirs aus allen Ecken des Landes.
    Doch wohin er diesmal gefahren war, verrieten sie ihr ebenso wenig wie Stephens Unterlagen.
    »Verdammt, Stephen, wo bist du hin?«
    In einer weiteren Welle hilflosen Zorns

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