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Phobia: Thriller (German Edition)

Phobia: Thriller (German Edition)

Titel: Phobia: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wulf Dorn
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Flugbegleiterin an.
    »Hätten Sie vielleicht ein Päckchen Pfefferminzdragees für mich?«
    20.
    Als Mark aus der Zollkontrolle trat, empfing ihn Londons größter Flughafen mit typischer morgendlicher Betriebsamkeit. Der Anzugträger, der während des Flugs neben ihm gesessen hatte, eilte mit seinem Rollkoffer an ihm vorbei, um schnellstmöglich ein Taxi, den Heathrow Express oder einen Anschlussflug zu erreichen, und eine Blondine im grauen Businesskostüm entschuldigte sich bei ihrem Telefonpartner für die Verspätung. Der Abflug von Frankfurt hatte sich um zehn Minuten verzögert, und Mark dachte, was für eine absurde Welt, in der man in kürzester Zeit Hunderte von Kilometern zurücklegte und sich dann für eine zehnminütige Verspätung entschuldigen musste.
    Dabei hatte er bis vor anderthalb Jahren noch ähnlich gedacht. Aber inzwischen wusste er, wie wenig man seine Zeit wirklich unter Kontrolle hatte. Darin lag die Ironie des Lebens: Manchmal bedurfte es schlimmer Ereignisse, um zu erkennen, was tatsächlich von Bedeutung war.
    Er entdeckte Somerville neben einer kleinen Gruppe Wartender. Auch wenn sie sich seit Jahren nicht mehr gesehen hatten, erkannte er den Professor sofort. Zuletzt waren sie sich auf einem Psychiatriekongress begegnet, als sie gemeinsam an einer Podiumsdiskussion über die Therapiemöglichkeiten schwerer Traumata teilgenommen hatten. In den Monaten davor war Mark im Rahmen eines Hilfsprogramms der »Ärzte ohne Grenzen« in den ehemaligen Kriegsgebieten des Kosovo unterwegs gewesen und hatte bei dem Kongress über seine Erfahrungen mit den Opfern der Kriegsgräuel berichtet. Damals hatte er noch nicht ahnen können, dass er selbst einmal Opfer eines schweren Traumas werden würde, und jetzt erschien ihm die Erinnerung an jene Zeit wie die eines Fremden. Er war heute ein völlig anderer Mensch.
    Lionel Somerville hingegen hatte sich, zumindest seinem Äußeren nach zu urteilen, kein bisschen verändert. Sein graues Haar war vielleicht eine Spur weißer geworden, aber seine Haltung war noch immer aufrecht, sein Erscheinungsbild gepflegt, und sein schlanker Körperbau verriet, dass er nach wie vor die Mittagspausen mit Joggingrunden auf dem Campusgelände des Londoner King’s College verbrachte.
    Als er Mark sah, winkte er ihm zu und lächelte breit. Dieses Lächeln irritierte Mark, ebenso wie Somervilles helle Sportjacke, seine beige Hose und der braune Seidenschal. Eigentlich hatte er erwartet, dass der Professor Schwarz tragen würde.
    Somerville ging Mark entgegen und schüttelte ihm die Hand.
    »Mark! Ich freue mich, Sie zu sehen. Wenn ich ehrlich sein soll, hatten George und ich ein wenig Zweifel, dass Sie kommen würden.«
    »George?« Mark sah ihn konsterniert an. »Wollen Sie damit sagen, Professor Otis hat damit gerechnet, dass ich zu seiner Beerdigung kommen werde?«
    »Zu behaupten, dass er damit gerechnet hätte, wäre übertrieben«, entgegnete Somerville. »Sagen wir lieber, er hatte es sich sehr gewünscht .« Er deutete auf Marks Sporttasche. »Ist das Ihr einziges Gepäckstück?«
    »Ja, ich bleibe ja nur kurz.«
    Wieder lächelte Somerville, und wieder irritierte er Mark damit, denn in seinen wasserblauen Augen spiegelte sich ein merkwürdiger Ausdruck – so als wisse Somerville, dass Mark sich täuschte. Mark sah ihn fragend an, aber der Professor ging nicht darauf ein, sondern sagte: »Wie sieht’s aus? Möchten Sie hier am Flughafen noch einen Tee oder Kaffee trinken, oder sollen wir gleich aufbrechen?«
    »Von mir aus können wir losfahren.«
    »Sehr gut, dann kommen Sie. Nicht, dass Sie es mir nicht wert wären, mein Bester, aber die Parkgebühren hier sind recht saftig.«
    Damit eilte Somerville voran, aus dem Flughafengebäude zu den Parkplätzen. Er sprach dabei über das lausige Wetter der letzten Tage und mutmaßte, dass es wohl auch in diesem Jahr schlecht um die Aussichten auf weiße Weihnachten bestellt sei.
    Mark folgte ihm und fand die Situation irgendwie befremdlich. Zwar war Somerville schon immer eine starke Persönlichkeit gewesen, aber dennoch hatte er zumindest eine Spur von Trauer bei ihm erwartet, immerhin war George Otis sein Halbbruder gewesen.
    In seinem Berufsleben als Psychiater hatte Mark mit unzähligen Menschen zu tun gehabt, die Angehörige und nahestehende Personen verloren hatten. Dass jemand so unbeschwert wirkte wie jetzt Lionel Somerville, kam selten vor. Doch jeder ging mit Trauer nun einmal auf seine Weise um.
    Der Professor

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