Phobia: Thriller (German Edition)
Dann deutete er auf die Waschmaschinen. »Ist das da … ist das Ihre Wäsche? Die wäre jetzt fertig. Ich mein ja nur …«
Als er die Furcht in den Augen des Alten sah, musste er sich ein triumphierendes Lächeln verkneifen. Es gefiel ihm, dass er ihn hatte einschüchtern können. Dabei hatte er nur seinen neuen Namen genannt.
Das verlieh ihm Selbstbewusstsein.
»Ich bin verheiratet«, sagte er voller Stolz. » Glücklich verheiratet. Mit der besten Frau, die man sich wünschen kann. Und ich habe einen wundervollen Sohn, aus dem eines Tages etwas ganz Besonderes werden wird. Also verschon mich mit deinen Tittenbildern, alter Mann.«
Der Alte nickte nur und schluckte heftig. Es war ein wunderbares Gefühl.
Dann erhob er sich, nahm seine Wäsche aus der Maschine und hielt sie ins Licht.
Makellos rein, stellte er zufrieden fest. Der Tipp mit dem Backpulver und der Bleiche, den er auf einer Website für Junggesellen entdeckt hatte, war Gold wert gewesen. Zwar waren seine Hose und der Pullover nun etwas heller als zuvor, und aus Braun war Beige geworden, aber von den Blutflecken war keine Spur mehr zu sehen.
Sehr gut!
Er ging, ohne den Alten noch eines Blickes zu würdigen.
Den Beutel mit seiner Wäsche entsorgte er zwei Straßen weiter in einem Altkleidercontainer. Dann ging er pfeifend davon.
Was für ein Tag , dachte er.
Alles lief nach Plan.
39.
»Ich bin so froh, dass du gekommen bist!«
Noch in der Tür empfing ihn Sarah mit einer Umarmung. Sie wollte ihn gar nicht wieder loslassen, bis Mark spürte, dass sie weinte – leise, damit ihr Sohn nichts davon mitbekam. Mark hielt sie eine Weile fest, bis sie sich beruhigt hatte.
Sie sieht schlecht aus , dachte er, als sie sich wenig später in der offenen Küche ihrer Freundin, die sich als Gwen vorgestellt hatte, gegenübersaßen. Wie zur Bestätigung hing neben ihr ein Foto am Kühlschrank, das Sarah zusammen mit Gwen auf einer Party in ebendieser Küche zeigte: das blühende Leben, wie sie da dem Fotografen lachend ihr Cocktailglas entgegenhielt. Doch jetzt waren ihre Wangen eingefallen, und ihre Augen hatten dunkle Ringe. Eindeutige Zeichen, dass sie seit dem Vorfall in ihrem Haus nicht mehr richtig gegessen und geschlafen hatte.
»Ich habe heute eine Vermisstenanzeige aufgegeben«, sagte sie und schenkte ihm eine Tasse Tee ein.
»Und was hat die Polizei zu der Sache mit dem Unbekannten gesagt?«
Sie machte eine hilflose Geste. »Dasselbe wie vor zwei Tagen. Dass sie nach Stephens Auto fahnden werden. Und dass es außer meiner Aussage keinen Hinweis auf eine Entführung gibt. Dass es nach dem gegenwärtigen Stand der Dinge allenfalls Hausfriedensbruch gewesen sei. Die wissen nicht, wie sie mir helfen können, Mark. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob sie mir wenigstens diesmal geglaubt haben. Ich kann ja nichts von alldem beweisen. Mir kam es eher so vor, als denken sie, er sei mir davongelaufen. Zigaretten holen .«
Sie stieß ein bitteres Lachen aus, legte ihren verletzten Arm auf die Tischplatte und kratzte nervös an einer Stelle knapp unterhalb der Schiene. »Mein einziger Trost ist, dass es Harvey wieder gut geht. Er weiß zwar, dass etwas nicht stimmt, aber er lacht wieder, spielt mit Diana.«
Mark schaute hinüber in den Wohnzimmerbereich, wo Harvey neben Gwen und ihrer Tochter auf dem Sofa saß. Die drei hatten Muffins gebacken, und in der Wohnung hing noch der süßlich schwere Geruch nach Teig, Blaubeeren und Schokolade. Sie sahen sich einen Zeichentrickfilm im Fernsehen an. Die Musik deutete auf eine wilde Verfolgung à la Tom und Jerry hin.
Mark musste an die Kinder denken, mit denen er früher gearbeitet hatte. Kinder, die ihre Eltern oder Geschwister unter dramatischen Umständen im Krieg oder bei Unfällen verloren hatten und die wenig später wieder mit anderen Kindern gespielt und gelacht hatten, als sei nichts geschehen. Die Macht der Verdrängung , dachte er. Anfangs war sie ein Segen. Sie half dem Unterbewusstsein, den Schrecken zu bewältigen, ehe man sich Schritt für Schritt an die Realität herantasten konnte.
Sarah riss ihn aus seinen Gedanken.
»Mark, ich habe mich an Polizei gewandt, wie du gesagt hast. Aber es muss doch noch mehr geben, was wir tun können. Hast du denn keine Idee?«
Mark sah sie lange an. Er hatte sich in der Tat auf dem Weg hierher so seine Gedanken gemacht.
»Nun«, begann er, »ein erster Ansatzpunkt wäre, wenn wir herauszufinden versuchen, was dieser Unbekannte eigentlich von euch will.«
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