Phobia: Thriller (German Edition)
Trafalgar Square. Aber der Anblick kam ihm dennoch surreal vor.
Die vier betrachteten ihn ohne jegliche Scheu. Was schaust du so? , schienen die braunen Augen der Füchsin zu fragen. Wir leben jetzt auch hier. Ihr Menschen habt unser Territorium besetzt, also teilen wir es jetzt mit euch. Und wir haben keine Angst mehr, weil wir sonst nicht überleben könnten .
Dann lief sie mit ihren Jungen über den Hof zum Ausgangstor, schlüpfte durch das Gitter. Kurz darauf waren sie verschwunden.
Mark sah den Tieren nach. Angst hat ein Zuhause , hatte Otis gesagt, und Mark sah ein, dass es längst an der Zeit war, sich seinen Ängsten zu stellen. Er musste in die Gegenwart zurückkehren, wenn er überleben wollte. Und dabei spielte es keine Rolle, welche Zahlen auf seiner Lebensuhr abliefen, um zu begreifen, dass es ein Fehler war, weiterhin vor allem davonzulaufen. Er wurde gebraucht, hier und jetzt. Es war eine Chance, und es lag nur an ihm, sie zu ergreifen.
Er nahm sein Handy und wählte Sarahs Nummer.
Teil 4 Ausgeliefert
38.
Es war kurz nach halb acht Uhr morgens, als er – mit einem Kaffeebecher in der einen Hand und einem Beutel schmutziger Wäsche in der anderen – »Mr. Yu’s Supreme Launderette« betrat. Er hatte mit vielen Morgenkunden gerechnet, und wenn dem so gewesen wäre, hätte er sich nach einem anderen Waschsalon umgesehen, doch er traf nur auf eine junge Frau, die auf der Holzbank in der Mitte des Salons saß und in einem Buch las, während vor ihr die Wäsche hinter einem der großen Bullaugen rotierte.
Die Frau sah auf, als er hereinkam. Sie mochte Ende zwanzig sein, aber sie war so dick, dass ihr Alter nur schwer zu schätzen war. Ihr Kopf ging halslos in einen massigen Leib über, und es sah aus, als würde sie mehrere Schwimmringe unter ihrem lila Sweater tragen. Ihr Gesicht war von Pickeln übersät und ihr Haar so dünn und schütter, dass man die weiße Kopfhaut glänzen sah.
Mit einem Wort, sie war hässlich . So wie er. Aber sie hatte hübsche Augen, klar und blau und wachsam, auch wenn sie den Blick sofort wieder von ihm abwandte. Das war er gewohnt.
Er stellte den Kaffeebecher ab, steckte seine Wäsche in den Automaten und füllte eine Spezialmischung aus Waschmittel und Bleiche sowie etwas Backpulver ein. Dabei ging er behutsam vor, um nichts zu verschütten, denn seine versengten Fingerkuppen behinderten ihn.
Auch mit dem Geldeinwurf hatte er Schwierigkeiten. Er konnte die Münzen nicht richtig fühlen, und eine davon fiel ihm zu Boden. Es würde noch eine Weile dauern, bis sein Tastsinn zurückgekehrt war.
Er setzte sich ebenfalls auf die Bank und war nicht weiter verwundert, als die Frau wie beiläufig in ihrer Handtasche zu wühlen begann und dabei ein Stück von ihm abrückte.
»Guten Morgen«, sagte er, als hätte er es nicht bemerkt, und prostete ihr mit seinem Kaffeebecher zu. »Ich bin Stephen. Den Kaffee von Henry’s gegenüber kann ich nur empfehlen. Schmeckt eindeutig besser als der von Starbucks. Trinken Sie Kaffee?«
Doch sie ging auf seinen Smalltalk-Versuch nicht ein. Stattdessen holte sie Ohrstöpsel aus ihrer Jackentasche und steckte sie sich in die Ohren – was bei ihrem feisten Gesicht aussah, als schöbe sie sich die Stöpsel direkt in den Kopf. Dann setzte sie einen MP3-Player in Gang und widmete sich wieder ihrem Buch.
Er sah den abgeschnittenen Finger auf dem Umschlag und las den Titel. Die Blutrache des Schlächters .
»Gutes Buch?«, fragte er mit lauter Stimme, aber er bekam keine Antwort. »Wahrscheinlich kein Buch für mich«, fuhr er fort. »Das wirkliche Leben ist schon grausam genug.«
Sie musterte ihn flüchtig aus den Augenwinkeln und runzelte dabei die Stirn, was sie wie einen Mops aussehen ließ. Wahrscheinlich irritierten sie seine zu kurzen Hosenbeine oder die Schuhe von Bugatti, die ihm offenkundig eine Nummer zu klein waren.
Dann rückte sie noch ein Stück weiter von ihm ab. Es fehlte nicht mehr viel, und sie würde von der Bank fallen.
Schade , dachte er. Ein wenig Konversation hätte ihm jetzt gefallen. Er hätte gern sein neues Ich an ihr ausprobiert, um zu sehen, ob er überzeugend wirkte. Dass sie ihn so vehement ignorierte, enttäuschte ihn.
Dabei müsstest du doch selbst wissen, wie es sich anfühlt, wenn man hässlich ist, wenn man von allen gemieden und nur heimlich angegafft wird, dachte er.
Aber offenbar wichen sich die hässlichen Menschen auch untereinander aus, weil sie sich für ihr Aussehen
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