Phobia: Thriller (German Edition)
schämten oder vielleicht, weil sie sich selbst hassten. So wie er sich gehasst hatte für das, was er war – ehe er zu Stephen Bridgewater geworden war.
»Dann eben nicht.«
Er zuckte lapidar mit den Schultern und holte aus seiner Jackeninnentasche eine Zeitung hervor.
Er hatte sich vorhin am Kiosk für die Sun entschieden, denn wenn eine Zeitung ausführlich über den Vorfall berichten würde, dann war es das auflagenstärkste Boulevardblatt – natürlich vorausgesetzt, man hatte den Mann bereits gefunden.
Er überflog die Schlagzeilen, die verkündeten, dass Chelsea 2 : 1 gegen Arsenal gewonnen hatte, der Premierminister über einen Ausstieg aus der Europäischen Union nachdachte, Britney Spears neuerdings auf einen BH verzichtete und ein Student sich im Drogenrausch das Gesicht vom Kopf gekratzt hatte.
Schließlich fand er, wonach er gesucht hatte, und für einen Moment stockte ihm der Atem. Das klingt nicht gut!
Mysteriöse Entdeckung auf Parkplatz lautete die Schlagzeile. Darunter stand: Parkwächter findet Entführungsofper .
Okay, sie haben ihn also gefunden , dachte er, während er auf das Foto des Taxis starrte, das allein auf dem Parkplatz zu stehen schien, umringt von mehreren Polizisten.
Dann begann er mit pochendem Herzen zu lesen.
Den Schreck seines Lebens bekam Parkwächter Bernard Norris, 23, bei seinem gestrigen Kontrollgang auf dem Gelände der Northern Car Park Ltd. in Brixton. Im Kofferraum eines widerrechtlich abgestellten Taxis fand er einen Mann, der mit Klebeband gefesselt und geknebelt war. Offenbar wurde der Mann über mehrere Tage in dem Fahrzeug gefangen gehalten.
»Es hat gestunken wie in einer Kläranlage«, verriet der Parkwächter. »Aber ich wusste natürlich sofort, was zu tun war.«
Laut eines Polizeisprechers handelt es sich bei dem Opfer um einen sechsundvierzigjährigen Taxifahrer aus Sundridge. Der Mann sei bei seinem Auffinden stark dehydriert gewesen und werde jetzt intensivmedizinisch behandelt. Laut Aussage eines Arztes sei er jedoch außer Lebensgefahr. Im Blut des Taxifahrers habe man Spuren eines starken Betäubungsmittels gefunden. Außerdem gebe es Anzeichen, dass er mit einem Elektroschockgerät misshandelt wurde, erklärte der Arzt.
Über die Hintergründe der Tat ist bislang noch nichts bekannt.
Er ließ die Zeitung auf den Schoß sinken und atmete erleichtert auf.
Sie wussten nicht, wer es getan hatte.
Das war gut.
Und der Taxifahrer war am Leben und würde durchkommen.
Das war sogar noch viel besser.
Er hatte dem Mann nicht schaden wollen. Aber es war nicht zu vermeiden gewesen. Weil er das Taxi gebraucht hatte, um an Stephen heranzukommen. Dass der Mann eine Weile in seinen eigenen Hinterlassenschaften hatte zubringen müssen … nun, das war bedauerlich. Aber wenn der Mann gestorben wäre … ja, das hätte ihn betroffen gemacht.
So aber blieb ihm die gute Laune erhalten. Alles lief bestens, und bald konnte er Sarah einen weiteren Teil seines Geschenks zukommen lassen. Vielleicht entdeckte sie es sogar selbst?
Um sich die Zeit zu vertreiben, bis seine Wäsche fertig war, las er noch die anderen reißerisch aufgemachten Artikel mit Tagesaktualitäten: Es ging um Starlets und ihre Brustvergrößerungen, um Scheidungsdramen und Kinderwünsche diverser Prominenter, dramatische Lebensbeichten magersüchtiger Models und natürlich um Sport.
Ja, das ist es, was die Welt interessiert , dachte er. Damit füllen die Leute die Leere in ihrem Dasein. Mit den Lebensgeschichten anderer Leute. Irgendwann stellen sie dann fest, dass ihr eigenes Leben vorbei ist, ohne dass sie es gelebt haben. Sie würdigen ihr Leben nicht. Aber das kann ich jetzt ändern .
Irgendwann kehrte er aus seinen Gedanken zurück und stellte überrascht fest, dass die dicke junge Frau gegangen war. Er hatte es gar nicht bemerkt.
An ihrer Stelle saß da ein alter Mann mit zerzaustem Bart, der ebenfalls in die Sun vertieft war. Dabei grinste er über das ganze Gesicht. Das Titelgirl schien nicht nur seine Aufmerksamkeit erregt zu haben.
»Hey, Scarface«, sagte er und deutete auf das Bild, »das sind Titten, was? So was kriegen wir beide wohl nie ins Bett.«
Scarface .
Das hatte gesessen.
»Ich heiße Stephen«, entgegnete er scharf. » Stephen! Haben Sie mich verstanden?«
Schlagartig verschwand das Grinsen aus dem faltigen Gesicht seines Gegenübers.
»Klar doch, Mann«, sagte er kleinlaut und hob abwehrend die Hand. »Ich meine natürlich, es tut mir leid, Stephen .«
Weitere Kostenlose Bücher