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Phönix

Phönix

Titel: Phönix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Brust
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Metern fand ich eine. Dort wurde ich langsamer, suchte mir ein, zwei Fluchtwege und blieb schließlich vor einem Obststand stehen, von dem ich mir eine Orange nahm. Ich wühlte in meinem Geldbeutel nach einer Münze.
    »Hier kommt er, Boß.«
    Ich bezahlte die Orange, nahm den Dolch aus meinem Gürtel, schnitt sie mittendurch und behielt die Klinge in der Hand, ließ es aber so aussehen, als hätte ich sie wieder weggesteckt. Dann lutschte ich die Orange aus.
    »Er ist hinter dir, zwischen zwei Menschen. Die gehören aber nicht dazu, keine Sorge. Er kommt näher. Er hat eine Waffe gezogen … jetzt!«
    Ich drehte mich um und warf die Orange auf ihn. Gleichzeitig griff Loiosh seine Messerhand an, und Rocza hob von meiner Schulter ab, um ihm mit den Krallen durchs Gesicht zu fahren. Als er sich zurückzog, fiel das Messer in den Dreck. Loiosh brachte ihn dazu, sich umzudrehen, und ich stieß ihm den Dolch bis ans Heft mitten in den Rücken. Er schrie und fiel in die Knie. Ich schnappte ihn mir am Kinn, zog einen anderen Dolch, schnitt ihm die Kehle durch und ließ mein Messer fallen. Da er jetzt nicht mehr schreien konnte, sprang ein Augenzeuge für ihn ein, und das ziemlich gut.
    Ich ging um den Obststand herum, sorgfältig bedacht, niemandem in die Augen zu sehen, und schlüpfte zwischen zwei Gebäude, wo Loiosh und Rocza zu mir kamen. Wir liefen hakenschlagend durch ein paar Straßen, gingen dann in eine Taverne, wo ich mir die Orange und das Blut von den Händen wusch. Ich kann es nicht leiden, wenn ich klebrige Finger habe.
    Wir traten mitten am Tag wieder nach Süd-Adrilankha hinaus, und Scharen junger Männer lehnten, Passanten beobachtend, an Häusern, und Händler aßen vor ihren Geschäften zu Mittag. Das Standardgericht bestand anscheinend aus langen Brotscheiben, die sie in irgendwas in einer Holzschale tunkten, während sie eine Flasche zwischen den Knien hielten. Als ich ein wenig ruhiger wurde, weil es keine Anzeichen für Verfolger gab, bekam ich allmählich das Gefühl, daß hier nicht alles normal war, aber ich kam beim besten Willen nicht dahinter, was.
    »Hast du eine Idee, was es ist, Loiosh?«
    »Ich weiß nicht recht, Boß. Irgendwie ist es anders.«
    Ich lief weiter, grob in Richtung der Gegend, in der Kellys Leute ihr Hauptquartier hatten. Eine Gruppe von etwa einem Dutzend Ostländern fiel mir auf, Männer und Frauen, die an mir vorübertrotteten. In ihren Gesichtern lag eine seltsame Mischung aus Entschlossenheit, Zuversicht und Angst. Nein, nicht Angst, vielleicht Nervosität. Zwei von ihnen trugen selbstgemachte Lanzen, eine hatte ein langes Küchenmesser dabei, die anderen waren unbewaffnet. Ich fragte mich, wohin sie wollten. Aus irgendeinem Grund schlug mein Herz schneller. Es schien zu den anderen Dingen zu passen, die ich unbewußt aufnahm.
    »Die warten auf etwas, Boß. Als würde jeder riechen, daß irgendwas passiert.«
    »Ich glaube, du hast recht, Loiosh. Ich bin gespannt.«
    Nicht weit vom Hauptquartier entfernt lag ein kleiner Park, der wie ein Diamant mit ausgeschnittenem Bogen an der Seite geformt war. Er hieß Exodus, was mit der Ankunft der Massen von Ostländern während des Interregnums zu tun hatte. Ein paar halbvertrocknete Bäume standen dort, ein Teich voller Wasser und Algen und ungepflegter Rasen mit Unkraut und mehreren Trampelpfaden hindurch. Ich durchquerte Exodus auf einem davon, der mich zu der leichten Erhebung am Bogen führte. Da blieb ich eine Weile stehen und sah zu.
    Ein Haufen von vielleicht zwei Dutzend Jungen und Mädchen, die meisten zwischen neun und elf Jahren alt, verwandelte eifrig Bäume in Speere. Knappe fünfzig davon lagen schon aufgestapelt neben ihnen, und die Arbeit war ordentlich aufgeteilt: Einige fällten die kleinen Bäume, andere entfernten die Äste und kürzten die Stämme, wieder andere polierten und entrindeten sie, und eine vierte Gruppe spitzte sie an. Sie waren alle schmutzig, aber die meisten hatten anscheinend Spaß.
    Ein paar verrichteten ihre Arbeit mit grimmiger Entschlossenheit, als fühlten sie sich als Bestandteil von höchst bedeutenden Angelegenheiten, und andere, besonders die, die das Holz zuschnitten, schienen einfach müde.
    Eine Weile sah ich ihnen zu, als die Bedeutsamkeit mich plötzlich überschwemmte. Nicht so sehr, weil sie sich Waffen schufen, sondern eher, weil sie es so systematisch machten. Jemand hatte sie darangesetzt und ihnen genau erklärt, was sie zu tun hatten. Ja. Jemand.
    Ich ging wieder los,

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