Phönix
»Fünf Minuten«, beschied ich ihn. »Wir sind fast fertig.«
»Ich lasse Seth –« Seine Pseudostimme verstummte mitten im Wort. Der Schreiber wurde fertig, der König unterschrieb. Ich nahm es, las, nickte, rollte es auf und übergab es Morrolan, der es augenblicklich wieder entrollte.
»Nein«, sagte ich. »Lies es zu Hause.«
»Warum?«
»Wir müssen jetzt gehen.«
Und tatsächlich, in dem Moment spürte ich Daymars Anwesenheit erneut. »Gut«, sagte ich. »Hol uns heim.«
Der Zauber wirkte nur sehr langsam; so langsam, daß ich einen Moment lang befürchtete, er würde nicht funktionieren. Aber ein rötliches Glühen umgab uns allmählich. Es wurde stärker, und ich fühlte, wie es Zugriff und festhielt, und ich spürte die beginnende Desorientierung, die ich schon kannte.
Es war überhaupt nicht schwierig, einen Schritt nach links zu tun, damit ich außerhalb der Reichweite seiner Auswirkungen stand. Ich sah Morrolan und Aliera langsam verschwinden, die noch nicht bemerkt hatten, daß ich zurückblieb.
Der König starrte erstaunt auf den Beweis, daß die Zauberkraft sein Reich betreten hatte. Ich holte seine Aufmerksamkeit wieder zu mir, indem ich sagte: »Nun, Euer Majestät, nur so aus Neugier: wie verfährt man auf Eurer Insel gewöhnlich in bezug auf die Hinrichtung von Königsmördern?«
LEKTION
WIE MAN MIT DEN BOSSEN UMGEHT I
Sie kamen und hielten mich an den Armen fest, andere nahmen mein Rapier, den Dolch aus dem Gürtel, meinen Umhang, so daß mir höchstens neun Waffen blieben, und die würden sie zweifellos später kriegen. Der König sagte: »Da es noch nie vorgekommen ist, haben wir keine feste Vorgehensweise. Wir werden nicht grausam sein.«
»Danke«, sagte ich. »Das weiß ich zu schätzen.«
»Ich stehe zu meinem Wort, aber sagt mir nun: Stimmt es, daß Aibynn von Niederdach nicht Euer Komplize war?«
»Es stimmt. Bis Ihr verlangtet, er solle Euch ausgeliefert werden, hielt ich ihn für einen Eurer Spione. Aber er hat mir geholfen, also verhalte ich mich ihm gegenüber loyal.«
»Weshalb habt Ihr unsere Vereinbarung vor Euren Freunden verborgen?«
»Sie hätten es nicht zugelassen.«
»Dann werden sie vielleicht versuchen, Euch zu retten.«
»Das werden sie bestimmt. Ich denke, Ihr solltet es schnell erledigen, bevor sie die Zeit dazu haben.«
Er flüsterte einem Berater etwas zu, der nickte und davoneilte. »Bald«, sagte er, »haben wir genügend Truppen beisammen, um –«
»Um zu sterben«, unterbrach ich. »Ihr habt keine Ahnung, mit wem Ihr es zu tun habt. Habt Ihr je von einer Waffe gehört, die die Serioli Magischer-Stab-zur-Herbeiführung-des-Todes-in-Form-eines-schwarzen-Schwertes nennen? Wir sagen Schwarzstab dazu, und mein Freund Morrolan führt ihn. Was ist mit Dolchförmige-Feuerschleuder-die-wie-Eis-brennt? Sethra Lavode vom Dzurberg hat sie. Und dann wäre da Artefakt-in-Schwertform-das-nach-dem-wahren-Weg-sucht. Wir nennen es Wegfinder, und Aliera e’Kieron trägt es. Euer Majestät, Ihr macht einen Fehler, wenn Ihr glaubt, Ihr könntet genug Truppen mobilisieren, die sie von meiner Rettung abhalten, wenn ich bei ihrer Ankunft noch am Leben bin.«
Er starrte nur. »Ist es Eure Imperatorin, die Euch so loyal macht, daß Ihr Euer Leben für sie opfert? Oder ist es das Imperium?«
»Weder noch«, sagte ich. »Sie halten meine Frau gefangen, und ich hoffe, so ihre Freilassung zu erzielen.«
»Gefangen? Weshalb?«
»Anführung einer Rebellion.«
Er starrte weiter, dann begann er zu lächeln, und dann lachte er laut. »Also, Ihr opfert Euer Leben im Interesse des Imperiums, das Eure Frau gefangenhält, weil sie versucht hat, es umzustürzen? Und Ihr tut es, um ihre Freilassung zu erzielen, damit sie einen erneuten Umsturz versuchen kann?«
»So ähnlich.« So witzig fand ich es nun auch wieder nicht.
»War das der eigentliche Grund für die Ermordung meines Vaters?«
»Nein.«
»Was dann?«
»Hört, Euer Majestät, meine Freunde werden wahrscheinlich, sobald sie eine Ahnung haben, was passiert ist, zurück sein. Sie werden eine Weile brauchen, um den Zauber erneut zu sprechen, aber wie lange diese Weile dauert, weiß ich nicht. Sollte ich noch am Leben sein, wenn sie hier auftauchen, wird es sehr schnell sehr blutig werden. Und, um ehrlich zu sein, ich stehe nicht gerne irgendwo herum. Warum bringen wir es nicht einfach hinter uns?«
»Mein lieber Mörder«, sagte der König. »Wir beabsichtigen, Euch hinzurichten. Wir haben nicht vor,
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