Phönix
»Ihnen oder Matt Brady würde ich nicht mal einen Hund anvertrauen«, erwiderte ich kalt, »geschweige denn menschliche Wesen.« Ich drückte auf den Knopf. Mickeys Stimme ertönte in der Rufanlage: »Ja, Brad?«
»Schicken Sie mir die gesamte Belegschaft, einschließlich Botenjunge, sofort in mein Büro«, sagte ich.
»Wird gemacht, Brad«, antwortete sie.
Ich wandte mich wieder an Chris. Er stand wie angewurzelt da. »Was stehen Sie noch herum?« lächelte ich. »Sie haben hier nichts mehr zu suchen.«
Er wollte etwas sagen, besann sich aber anders und ging auf die Tür zu. Als er sie öffnete, sah ich, daß schon der größte Teil der Mitarbeiter in Mickeys Zimmer versammelt war und wartete. Mir kam eine Idee. »Chris!« rief ich.
Er drehte sich mit der Hand auf dem Türgriff um. Ich sprach so laut, daß es alle anderen hören konnten. Ich wählte um des Effektes willen meine Worte sehr sorgsam. »Lassen Sie meine Sekretärin wissen, wohin wir Ihnen die Post nachschicken sollen. Zu Matt Brady oder zum Teufel.« Ich lachte. »Scheint mir kein großer Unterschied zwischen beiden zu sein.«
19
Ich saß an meinem Schreibtisch und beobachtete, wie die letzten nacheinander mein Büro verließen. Ich konservierte mein Lächeln, bis sich die Tür hinter ihnen geschlossen hatte. Dann konnte ich endlich aufhören zu lächeln. Mein Gesicht schmerzte bereits davon. Es war eine erfreuliche Zusammenkunft gewesen. Ich hatte ihnen einen kurzen Überblick über die letzten Ereignisse gegeben, angefangen von der ersten Unterredung mit Matt Brady bis zu der Auseinandersetzung mit Chris kurz bevor sie hereinkamen. Ich erklärte, daß ich ihnen lediglich versprechen könnte, zu kämpfen, daß es nicht leicht sein würde, aber daß wir es schaffen könnten,
wenn sie mich unterstützen würden.
Es konnte nicht schiefgehen; vor allem nicht, nachdem ich sie meine letzten Worte an Chris hatte mitanhören lassen.
Sie versprachen mir ihre Mitarbeit und bemühten sich alle, mir Mut zu machen. Einige erklärten sich sogar freiwillig mit vorübergehenden Gehaltskürzungen einverstanden, bis wir uns wieder gefangen hätten.
Ich winkte ab, ließ mir aber die Möglichkeit offen, gegebenenfalls später einmal auf diese Angebote zurückzukommen. Ich schüttelte jedem von ihnen die Hand, und dann gingen sie.
Es war großartig. Ich hatte einen Haufen versprochen und nichts gesagt. Niedergeschlagen starrte ich auf meinen Schreibtisch. Die Telefone waren merkwürdig stumm. Normalerweise läuteten sie um diese Zeit Sturm. Ich lächelte finster vor mich hin. Es gibt im Geschäftsleben ein altes Sprichwort: Wenn dich niemand mehr anruft, bist du ein Schlager von gestern. Genauso war mir zumute. Die Rufanlage summte. Gleichgültig schnippte ich den Hebel herum. »Ja?«
»Mrs. Schuyler ist hier und läßt fragen, ob Sie Zeit hätten, ein paar Notizen zur Kinderlähmungskampagne durchzusehen?« Mi-ckeys Stimme klang provozierend heiter. Für einen Moment war ich sprachlos. »Sie möchte hereinkommen«, sagte ich zögernd und kippte den Hebel wieder um.
Ich war aufgestanden, als sich die Tür öffnete. Ich versuchte mit aller Gewalt, die wilde Erregung zu zügeln, die sich meiner bemächtigt hatte.
Da stand sie und schaute mich an. Ihre Augen wirkten wie große, traurige Seen. Sie lächelte nicht. Langsam näherte sie sich meinem Schreibtisch.
Ich sagte kein Wort. Ich konnte einfach nicht. Irgend etwas ging von ihr aus und rührte an meinen Lebensnerv. Ich fühlte diese Frau mit jeder Faser meines Körpers.
Sie schaute mir ins Gesicht. »Du siehst nicht gut aus, Brad«, sagte sie ruhig.
Ich sprach nicht, ich verschlang sie nur mit meinen Augen.
»Willst du mir nicht guten Tag sagen?« fragte sie.
Ich fand meine Stimme wieder. »Elaine ...« Ich griff nach ihrer Hand. Allein die Berührung ihrer Finger erregte meinen Wunsch, sie an mich zu ziehen.
Sie schüttelte den Kopf und entzog mir ihre Hand. »Nein, Brad«, entgegnete sie sanft. »Es ist vorbei. Laß uns nicht wieder von vorn anfangen.«
»Ich liebe dich«, erwiderte ich, »es ist nicht vorbei.«
»Ich habe einen Fehler begangen, Brad«, erklärte sie mit matter Stimme. »Wirf es mir doch nicht immer wieder vor! Ich möchte deine Freundin sein.«
»Liebst du mich nicht?« fragte ich.
Noch nie hatte ich solche Augen gesehen. Sie erklärten vieles; unendliches Leid lag in ihnen. »Laß mich gehen, Brad«, bettelte sie. »Bitte.«
Ich holte tief Luft, ging an meinen Platz zurück
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