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Physiologie der Ehe (German Edition)

Physiologie der Ehe (German Edition)

Titel: Physiologie der Ehe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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kannst dich also, indem du dir diese Wissenschaft zu eigen machst, mit einer großen Macht bewaffnen. Du erhältst damit einen Faden, der im Labyrinth der undurchdringlichsten Herzen dich führen wird. Und so siehst du, daß du dein Zusammenschlafen von sehr vielen Mängeln freisprechen und daß du ihm sehr viele Schätze zugestehen mußt.
    Und glaubst du jetzt wirklich allen Ernstes, du müßtest ein Herkules sein, weil du jeden Abend mit deiner Frau dich in ein Bett legst? Albernheit! Ein geschickter Ehemann verfügt in dieser Lage über viel mehr Mittel, sich mit Anstand aus der Sache herauszuziehen, als Frau von Maintenon, wenn sie genötigt war, anstatt einer Schüssel eine Geschichte aufzutischen.
    Wie Buffon und einige Physiologen behaupten, werden unsere Organe durch die Begierde viel mehr als durch die lebhaftesten Genüsse angegriffen. Bedeutet nicht in der Tat die Begier eine Art von Besitz, der nur in der Einbildung uns zuteil wird? Verhält sie sich nicht zur sichtbaren Handlung wie die Ereignisse des geistigen Lebens, deren Genuß wir im Schlafe haben, sich zu den Ereignissen unseres körperlichen Lebens verhalten? Erfordert nicht diese energische ›Vorstellung‹ von Dingen eine innere Bewegung, die mächtiger ist als die äußerliche Handlung? Wenn unsere Gebärden nur die Äußerung von Vorgängen sind, die in unserm Denken bereits vollzogen waren – welche Mengen von Lebenskraft müssen dann wohl oft wiederholte Begierden verbrauchen! Durchfurchen nicht die Leidenschaften, die nichts weiter als Massen von Begierden sind, mit ihren Blitzen die Gesichter der Spieler, der Ehrgeizigen, verzehren sie nicht deren Körper mit einer wunderbaren Schnelligkeit?
    So müssen denn diese Beobachtungen die Keime eines geheimnisvollen Systems enthalten, dessen Schutzheilige Platon und Epikur zugleich sind; mit dem Schleier der ägyptischen Götterbilder verhüllt, überlassen wir es dem Nachdenken der Leser.
    Aber der größte Irrtum, den die Menschen begehen können, ist der Glaube, die Liebe bestehe nur in jenen flüchtigen Augenblicken unseres Lebens, die nach Bossuets prachtvollem Vergleich Nägeln gleichen, die hier und da in eine Wand eingeschlagen sind: sie erscheinen dem Auge zahlreich; aber sammle sie – und sie finden in deiner Hand Platz.
    Die Liebe besteht fast nur aus Gesprächen. Bei einem Liebenden gibt es nur ein Einziges, was unerschöpflich ist: nämlich Güte, Anmut und Zartgefühl. Alles fühlen, alles erraten, alles schon im voraus tun; Vorwürfe machen, ohne die zärtliche Liebe zu betrügen; ein Geschenk ohne jeden Stolz darzubringen wissen; den Wert irgendeiner Handlung durch eine sinnreiche Form verdoppeln; mit Taten und nicht mit Worten schmeicheln; lieber sich selbst verständlich machen, als gar zu lebhaft auf das von der Frau Gesagte eingehen; zart berühren, nicht schlagen; mit dem Blick und sogar mit dem Klang der Stimme liebkosen; niemals in Verlegenheit bringen; unterhalten, ohne den guten Geschmack zu beleidigen; immer das Herz zu streicheln wissen; zur Seele sprechen – das ist es, was alle Frauen wünschen; sie geben gerne die Wonnen aller Nächte einer Messalina darum, wenn sie mit einem Wesen zusammenleben können, das sie mit diesen Liebkosungen der Seele überhäuft, nach denen sie so lecker sind, und die einen Mann nichts kosten als ein wenig Aufmerksamkeit.
    Diese Zeilen enthalten den größten Teil der Geheimnisse des Ehebettes. Scherzbolde werden vielleicht diese lange Definition der Höflichkeit für eine Definition der Liebe halten, während sie doch, alles in allem genommen, nichts weiter ist als eine Empfehlung, deine Frau so zu behandeln, wie du den Minister behandeln würdest, der die von dir begehrte Stellung zu vergeben hat.
    Hier höre ich Tausende von Stimmen schreien: dieses Werk trete öfter für die Sache der Frauen ein als für die Sache der Männer.
    Die meisten Frauen seien einer solchen zarten Sorgfalt unwürdig und würden sie mißbrauchen.
    Es gebe Frauen, die von einem Hang zu zügelloser Sinnlichkeit besessen wären; diese würden sich mit einem Verfahren, das sie als Mystifikation bezeichnen würden, nicht recht zufriedengeben.
    Die Frauen seien durch und durch verkörperte Eitelkeit und dächten nur an ihre Fähnchen.
    Sie setzten sich manchmal Dinge in den Kopf, auf eine Weise, die einfach unerklärlich sei.
    Manchmal ärgerten sie sich über eine höfliche Aufmerksamkeit.
    Sie seien dumm, sie verständen nichts, sie taugten nichts, usw.
    Als

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