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Physiologie der Ehe (German Edition)

Physiologie der Ehe (German Edition)

Titel: Physiologie der Ehe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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verwenden, eine Frau zu studieren? Sie verkaufen ihre Zeit – wie sollten sie sie denn aufs Glück verwenden? Das Geld ist ihr Gott. Man kann nicht zwei Herren zugleich dienen. Daher ist denn auch die Welt voll von jungen Frauen, die blaß und schwach, krank und leidend sich durchs Leben schleppen. Die einen leiden an mehr oder minder gefährlichen Erhitzungen, andern ist das grausame Los beschieden, von mehr oder minder heftigen Nervenzufällen heimgesucht zu werden. Die Ehemänner aller dieser Frauen sind Dummköpfe und Prädestinierte. Sie haben sich ihr Unglück selber bereitet und haben darauf eine Sorgfalt verwandt, womit ein Ehekünstler die köstlichen und lange blühenden Blumen der Wonne zur Entfaltung gebracht hätte. Die Zeit, die ein Dummkopf darauf verwendet, sein eignes Glück zu vernichten, weiß ein Gescheiter dazu zu benutzen, sein Glück heranzubilden.

Format XXVI. Beginne niemals die Ehe mit einer Notzucht!
    Mit der unehrerbietigen Kühnheit der Chirurgen, die mit rücksichtslosem Schnitt das trügerische Muskelgewebe auftrennen, unter welchem eine ekelhafte Wunde sich birgt, haben wir in den vorhergehenden Betrachtungen die Ausdehnung des Geschwürs festgestellt. Die Tugend unserer Gesellschaft, auf den Seziertisch unseres anatomischen Theaters gelegt, hat nicht einmal einen Leichnam unter dem Skalpell gelassen. Liebhaber oder Gatte – ihr habt über die Krankheit gelächelt oder vor ihr geschaudert? Nun, mit einer boshaften Freude wälzen wir die Verantwortung für die ungeheuer schwere Last, unter der die Gesellschaft stöhnt, auf das Gewissen der Prädestinierten. Wenn Harlekin den Versuch macht, ob nicht sein Pferd sich dran gewöhnen könnte, ohne Fressen zu leben, so ist er nicht lächerlicher als die Männer, die in ihrer Ehe das Glück finden wollen, aber sie nicht mit aller erforderlichen Sorgfalt pflegen. Die Fehltritte der Frauen sind ebenso viele Anklagen gegen die Selbstsucht, Gleichgültigkeit und Nichtigkeit der Ehemänner.
    Und nun, Leser, mußt du, der du oft dein Verbrechen an einem andern verdammt hast, die Wage halten! Die eine Schale ist ziemlich schwer beladen – sieh zu, was du in die andere legen willst! Mache einen Überschlag über die Zahl der Prädestinierten, die sich etwa unter der Gesamtzahl der Verheirateten befinden, und wäge: dann wirst du wissen, wo das Leiden seinen Sitz hat!
    Wir wollen versuchen, in die Ursachen dieser ehelichen Krankheit noch etwas tiefer einzudringen.
    Das Wort ›Liebe‹ auf die Fortpflanzung der Rasse angewandt, ist die schändlichste Lästerung, die unser moderner Sittenbegriff jemals ausgesprochen hat. Indem uns die Natur durch das göttliche Geschenk des Denkens über das Tier erhob, hat sie uns die Fähigkeit verliehen, Eindrücke und Gefühle, Bedürfnisse und Leidenschaften zu empfinden. Diese Doppelnatur schafft im Menschen das Tier und den Liebenden, und diese Unterscheidung wird das gesellschaftliche Problem aufklären, das uns hier beschäftigt.
    Die Ehe kann je nach dem politischen, bürgerlichen und sittlichen Standpunkt als ein Gesetz, als ein Vertrag, als eine Einrichtung betrachtet werden – als ein Gesetz, indem sie für die Fortpflanzung des Geschlechts sorgt; als ein Vertrag, indem sie die Übertragung des Eigentums regelt; als eine Einrichtung, indem sie Interessen verbürgt, die für alle Menschen wichtig sind! Sie haben einen Vater und eine Mutter, sie werden Kinder haben. Die Ehe muß also der Gegenstand allgemeiner Ehrfurcht sein. Für die Gesellschaft haben nur diese höchsten Begriffe in Betracht kommen können, in denen für sie die Frage der Ehe gipfelt.
    Die meisten Menschen haben bei ihrer Heirat nur Fortpflanzung, Eigentum oder Kind im Auge; aber weder Fortpflanzung, noch Eigentum, noch Kind machen das Glück aus. Das ›Seid fruchtbar und mehret euch!‹ hat mit der Liebe nichts zu tun. Von einem Mädchen, das man in vierzehn Tagen vierzehnmal gesehen, im Namen des Gesetzes, des Königs und der Gerechtigkeit Liebe zu verlangen – ist eine Abgeschmacktheit, die der meisten Prädestinierten würdig ist!
    Liebe ist der Einklang von Bedürfnis und Gefühl; das Glück der Ehe erwächst aus einem vollkommenen Seeleneinverständnis der beiden Gatten. Daraus folgt, daß ein Mann, um glücklich zu sein, sich an gewisse Vorschriften der Ehre und des Zartgefühls gebunden halten muß. Nachdem er den Vorteil genossen hat, daß das soziale Gesetz dem Bedürfnis sein Recht zuspricht, muß er den geheimen Gesetzen

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