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Physiologie der Ehe (German Edition)

Physiologie der Ehe (German Edition)

Titel: Physiologie der Ehe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Einsiedelei lag unmittelbar am Cassanschen Park, dem lieblichsten aller Ruhesitze, die Luxus und Kunst geschaffen haben: wonnig anzusehen, von den kokettesten Spazierwegen durchzogen, unbeschreiblich kühl und wasserreich im Sommer. Diese grüne Kartause verdankt ihr Entstehen einem Generalpächter der guten alten Zeit, einem gewissen Bergeret, der einst durch seine Originalität und viele heliogabalische Streiche berühmt war: er ging zum Beispiel mit goldgepuderten Haaren in die Oper, veranstaltete für sich allein eine glänzende Illumination seines Parks oder gab sich selber ein prunkvolles Fest. Dieser bürgerliche Sardanapal hatte von einer italienischen Reise eine solche Begeisterung für die Naturschönheiten jenes Landes mitgebracht, daß er in einem Anfall von Fanatismus vier oder fünf Millionen ausgab, um in seinem Park alle in seiner Mappe mitgebrachten Landschaftsbilder kopieren zu lassen. Die entzückendsten Zusammenstellungen verschiedener Laubarten, die seltensten Bäume, lange Täler, die malerischsten Aussichtspunkte, Borromeische Inseln, die auf klaren, neckisch bewegten Fluten schwimmen, sind die Einzelstrahlen, die ihre optischen Schätze in einem einzigen Punkte vereinigen: einer Isola bella , von der aus das bezauberte Auge jede Einzelheit in Muße betrachten kann; einer Insel, auf der unter den nickenden Wipfeln hundertjähriger Weiden ein Häuschen sich versteckt; einer Insel, die, von Wasserlilien, Sträuchen und Blumen umsäumt, einem reichgefaßten Smaragd gleicht. Ein Zufluchtsort, den zu finden man tausend Meilen reisen möchte! Der kränklichste, verdrießlichste, trockenste von allen unsern genialen Männern, die sich nicht wohl befinden, würde an diesem Ort, von den leckern Gaben eines rein vegetativen Daseins überhäuft, binnen vierzehn Tagen an Fettsucht und Zufriedenheit sterben. Der damalige Besitzer dieses Paradieses – der sich übrigens aus seinem Eden nicht viel machte – hatte sich in Ermangelung eines Kindes oder einer Frau als Liebling einen großen Affen zugelegt. Vielleicht hatte er als früherer Liebhaber einer Kaiserin – wenigstens erzählte man sich von diesem Verhältnis Geschichten – von dem Menschengeschlecht genug gekriegt. Ein eleganter Holzkäfig, der von einer gedrechselten Säule getragen wurde, bildete die Behausung des boshaften angeketteten Tieres, das von seinem launenhaften Herrn, der öfter in Paris als auf seinem Landgut war, nur selten mit einer Liebkosung bedacht wurde. Der Affe stand in sehr schlechtem Ruf. Ich erinnere mich, mit angesehen zu haben, wie er mehreren Damen gegenüber beinahe so unverschämt wurde wie ein Mann. Später war der Besitzer genötigt, ihn töten zu lassen, da seine Bösartigkeit immer zunahm.
    Eines Morgens saß ich im Park unter einem schönen blühenden Tulpenbaum. Ich war damit beschäftigt, nichts zu tun. Während ich die liebeatmenden Blumendüfte einsog, die von hohen Pappelbäumen an dem köstlichen Ort festgehalten wurden, während ich im Schweigen des Waldes schwelgte, dem Murmeln des Wassers und dem Rauschen der Blätter zuhörte, den blauen Himmelsgrund bewunderte, auf dem über meinem Kopfe perlmutterfarbene und goldige Wolken sich abzeichneten, während vielleicht meine Gedanken in meinem künftigen Leben spazieren gingen – da hörte ich plötzlich einen Tölpel, der am Tage vorher von Paris gekommen war, mit dem unmotivierten Eifer eines Menschen, der nichts zu tun hat, auf der Geige spielen. Ich möchte meinem grausamsten Feinde nicht wünschen, auf einmal so aus der erhabenen Harmonie der Natur herausgerissen zu werden. Ja, wenn die fernen Töne von Rolands Horn die Lüfte belebt hätten, dann vielleicht ... aber daß ein kreischendes Quintengekratze sich anmaßt, einem menschliche Ideen und Worte in den Sinn zu rufen ...!
    Der Amphion ging im Speisesaal auf und ab und setzte sich schließlich auf eine Fensterbrüstung, genau dem Affen gegenüber. Vielleicht suchte er ein Publikum. Plötzlich sehe ich das Tier sachte von seinem kleinen Gefängnisturm heruntersteigen: es stellt sich auf seine beiden Hinterfüße, senkt den Kopf wie ein Schwimmer und kreuzt die Arme auf der Brust mit dem Stolz eines gefesselten Spartakus oder eines Catilina, der Ciceros Reden anhört. Plötzlich wird der Bankier von einer sanften Stimme gerufen, deren Silberklang das Echo eines mir bekannten Boudoirs erweckte; er legt die Geige auf die Fensterbrüstung und enteilt wie eine Schwalbe, die in schnellem Fluge auf ihre

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