Physiologie der Ehe (German Edition)
Genossin zusegelt. Der große Affe, dessen Kette von beträchtlicher Länge war, ging an das Fenster und nahm mit ernstem Gesicht die Violine in die Hand. Ich weiß nicht, ob schon jemand wie ich das Vergnügen gehabt hat, einen Affen zu sehen, der das Geigenspiel zu lernen versucht; aber noch jetzt, wo ich nicht mehr so viel lache wie in jenen sorglosen Tagen, kann ich niemals ohne ein Lächeln an meinen Affen denken. Zunächst packte der Halbmensch das Instrument mit derber Faust und beschnüffelte es, wie wenn er einen Apfel hätte essen wollen. Wahrscheinlich entlockte die Atmungstätigkeit seiner Nase dem tönenden Holz einen leisen Wohlklang; denn jetzt wiegte der Orang-Utan den Kopf, drehte die Geige hin und her, hob und senkte sie, hielt sie mit steifem Arm von sich ab, schwenkte sie, legte sie an sein Ohr, ließ sie fallen und fing sie wieder auf – und dies alles mit einer Gelenkigkeit und Schnelligkeit, wie sie nur diesen Tieren eigen ist. Er befragte das stumme Holz mit einer dummschlauen Miene, die etwas merkwürdig Unverständliches an sich hatte. Endlich versuchte er auf höchst groteske Art, die Geige unter sein Kinn zu klemmen, indem er mit der einen Hand den Griff hielt; aber wie ein verzogenes Kind wurde er bald einer Übung müde, die eine schwer zu erlangende Geschicklichkeit erforderte, und rupfte nur an den Saiten, ohne ihnen etwas anderes entlocken zu können als grelle Mißtöne. Jetzt wurde er ärgerlich, legte die Geige auf die Fensterbrüstung, packte den Bogen und begann ihn heftig hin und her zu stoßen, wie ein Steinmetz, der einen Stein sägt. Da auch dieser neue Versuch seine verständnisvollen Ohren nur noch mehr belästigte, so packte er den Bogen mit beiden Händen und schlug aus Leibeskräften auf das unschuldige Instrument, die Quelle von so viel Lust und Wohllaut. Er kam mir vor wie ein Schüler, der einen Kameraden unter sich hat, dem er zur Strafe für eine Niederträchtigkeit schnell, aber wohlgezielt, eine gehörige Tracht Prügel verabfolgt. Nachdem die Geige gerichtet und verurteilt war, setzte sich der Affe auf ihre Trümmer und ergötzte mit einer stumpfsinnigen Freude sich daran, mit dem zerbrochenen Bogen sich durch den blonden Pelz zu fahren.
Seit diesem Tage habe ich das Ehewesen der Prädestinierten niemals mit ansehen können, ohne die meisten Ehemänner mit diesem Orang-Utan zu vergleichen, der die Geige spielen wollte.
Die Liebe ist die melodiöseste aller Harmonien, und eine Ahnung davon ist uns allen angeboren. Die Frau ist ein köstliches Instrument der Lust, aber man muß die erzitternden Saiten kennen, muß lernen, wie es anzusetzen ist, wie mit wechselndem Fingersatz die Töne zu meistern sind.
Wie viele Orangs ... Menschen wollte ich sagen ... verheiraten sich, ohne zu wissen, was eine Frau ist! Wie viele Prädestinierte haben sie behandelt, wie der Affe von Cassan seine Geige! Sie brachen das Herz, das sie nicht verstanden, wie sie das Kleinod, dessen Geheimnis ihnen unbekannt war, schändeten und verachteten. Kinder ihr ganzes Leben lang, scheiden sie aus dem Leben mit leeren Händen – sie haben vegetiert, haben von Liebe und Lust gesprochen, von Ausschweifung und Tugend, wie die Sklaven von der Freiheit sprechen. Fast alle haben sich verheiratet, ohne von der Frau und von der Liebe auch nur die allergeringste Kenntnis zu haben. Sie haben in einem fremden Hause die Tür eingeschlagen und haben verlangt, im Salon eine gute Aufnahme zu finden! Aber der gewöhnlichste Künstler weiß, daß zwischen ihm und seinem Instrument – das doch nur aus Holz oder Elfenbein ist! – eine Art von unerklärbarer Freundschaft besteht. Er weiß aus Erfahrung, daß er Jahre gebraucht hat, um diese geheimnisvolle Beziehung zwischen einem unbelebten Stoff und ihm herzustellen. Er hat nicht beim ersten Versuch alle Freudenquellen und bösen Launen, alle Mängel und Tugenden seines Instruments geahnt. Erst nach langen Studien wird dieses für ihn eine Seele und eine unerschöpfliche Quelle des Wohllauts; wie zwei Freunde lernen sie sich erst nach den tiefsinnigsten Zwiegesprächen kennen.
Kann ein Mensch, der im Leben hockt, wie ein Seminarist in seiner Zelle, die Frau verstehen und dieses wunderbare Noten-Abc lesen lernen? Kann das ein Mann, dessen Beruf es ist, für andere zu denken, über andere zu richten, andere zu regieren, andere zu bestehlen, andere zu ernähren, zu heilen, zu verwunden? Mit einem Wort, können alle unsere Prädestinierten ihre Zeit darauf
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