Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Physiologie der Ehe (German Edition)

Physiologie der Ehe (German Edition)

Titel: Physiologie der Ehe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
Vom Netzwerk:
– hat das Zeug zu einem genialen Ehemann.
    XXXIX. Im Verkehr zweier Menschen, die sich nicht lieben, ist ein solches Genie Unzucht; aber Liebesbeweise, die von der Liebe eingegeben sind, sind niemals unzüchtig.
    XL. Die keuscheste verheiratete Frau kann zugleich die wollüstigste sein.
    XLI. Die tugendhafteste Frau kann unbewußt unanständig sein.
    XLII. Wenn zwei Menschen in der Wonne der Liebe vereint sind, schlummern alle Formen gesellschaftlicher Etikette. Hierin birgt sich eine Klippe, an der schon viele Schiffe gescheitert sind. Ein Ehemann ist verloren, wenn er ein einziges Mal vergißt, daß es eine Scham gibt, die mit den äußern Hüllen nichts zu tun hat. Die eheliche Liebe muß stets zur rechten Zeit die Augenbinde umzulegen und abzunehmen wissen.
    XLIII. Kraft besteht nicht darin, daß man stark oder oft zuschlägt, sondern daß man richtig trifft.
    XLIV. Eine Begierde aufkeimen zu lassen, sie zu nähren, sie sich entfalten und größer werden zu lassen, sie zu reizen, sie zu befriedigen – das ist ein ganzes Gedicht.
    XLV. Die Wonnen der Liebe gehen vom Distichon zum Vierzeiler über, vom Vierzeiler zum Sonett, vom Sonett zur Ballade, von der Ballade zur Ode, von der Ode zur Kantate, von der Kantate zum Dithyrambus. Der Ehemann, der mit dem Dithyrambus beginnt, ist ein Dummkopf.
    XLVI. Jede Nacht muß ihr Programm für sich haben.
    XLVII. In der Ehe gilt es einen unaufhörlichen Kampf gegen ein Ungeheuer, das alles verschlingt: die Gewohnheit.
    XLVIII. Wenn ein Mann nicht die Liebeswonnen zweier aufeinanderfolgender Nächte vollkommen verschieden zu gestalten weiß, hat er sich zu früh verheiratet.
    XLIX. Es ist leichter Liebhaber als Ehemann zu sein, weil es schwerer ist, alle Tage Geist zu haben, als von Zeit zu Zeit eine hübsche Bemerkung zu machen.
    L. Ein Ehemann darf niemals zuerst einschlafen und niemals zuletzt aufwachen.
    LI. Der Mann, der das Ankleidezimmer seiner Frau betritt, ist ein Philosoph oder ein Dummkopf.
    LII. Der Ehemann, der keine Begierden übrig läßt, ist ein verlorener Mann.
    LIII. Die verheiratete Frau ist eine Sklavin, die man verstehen muß, auf einen Thron zu setzen.
    LIV. Ein Mann kann sich nicht eher schmeicheln, seine Frau zu kennen und sie glücklich zu machen, als wenn er sie oft auf den Knien sieht.
    An diese ganze unwissende Herde unserer Prädestinierten, an unsere Legionen von Katarrhalikern, Rauchern, Schnupfern, Wackelgreisen, Brummbären usw. dachte Sterne bei jenem Brief, den in seinem ›Tristram Shandy‹ Walter Shandy an seinen Bruder Toby schrieb, als dieser letztere mit dem Gedanken umging, die Witwe Wadman zu heiraten.
    Da die berühmten Lehren, die der originellste englische Schriftsteller in diesem Briefe niedergelegt hat, fast ausnahmslos unsere Beobachtungen über die Art, sich den Frauen gegenüber zu benehmen, vervollständigen können, so bieten wir sie in wörtlicher Übertragung dem Nachdenken der Prädestinierten dar, indem wir sie bitten, andächtig darüber nachzusinnen, da dieser Brief eines der gehaltvollsten Meisterwerke des menschlichen Geistes ist.
Brief Mr. Shandys an den Kapitän Toby Shandy.
Mein lieber Bruder Toby!
    Was ich Dir sagen will, bezieht sich auf die Natur der Frauen und auf die Art und Weise, sich in Liebesangelegenheiten mit ihnen zu benehmen. Und vielleicht ist es ein Glück für Dich – obgleich nicht in demselben Maße für mich – daß die Gelegenheit sich dargeboten hat, und daß ich mich imstande sehe, einige Belehrungen über diesen Gegenstand für Dich niederzuschreiben.
    Wenn Er, der uns unsere Gaben zumißt, hätte geruhen wollen, Dir mehr Kenntnisse zuzuteilen als mir, so wäre ich entzückt gewesen, säßest Du an meinem Platze und hieltest Du diese Feder in der Hand; da es aber mir zukommt, Dich zu belehren, und da Mrs. Shandy hier bei mir ist, indem sie sich anschickt, sich zu Bett zu legen, so will ich in großen Umrissen und ohne besondere Ordnung allerlei Gedanken und Vorschriften über die Ehe zu Papier bringen, wie sie mir gerade einfallen, und je nachdem ich glaube, daß sie für Dich werden von Nutzen sein können. Ich möchte Dir damit einen Beweis meiner Freundschaft geben und zweifle nicht, mein lieber Toby, an der Dankbarkeit, womit Du ihn empfangen wirst.
    Was nun zunächst hierbei die Religion anbetrifft, so bemerke ich zwar an dem Feuer, das mir ins Gesicht steigt, daß ich erröte, indem ich Dir hiervon spreche; und ich weiß ferner trotz Deiner Bescheidenheit, die es uns nicht würde

Weitere Kostenlose Bücher