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Physiologie der Ehe (German Edition)

Physiologie der Ehe (German Edition)

Titel: Physiologie der Ehe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Notfall das Doppelte liefern können, wenn es gilt, die Meere zu umklammern und sich einer ganzen Flotte zu bemächtigen.
    Wenn ein Mann zur kleinen Zahl derer gehört, die eine großherzige Erziehung in das Reich des Gedankens einführt, so sollte er stets, ehe er sich verheiratet, seine körperlichen sowohl wie seine sittlichen Kräfte prüfen. Um mit Aussicht auf Erfolg gegen alle die Stürme kämpfen zu können, die so viele Verführungen im Herzen seiner Frau zu erregen drohen, muß ein Ehemann außer einer wissenschaftlichen Kenntnis der Liebeswonnen und einem Vermögen, das ihm erlaubt, zu keiner Klasse der Prädestinierten zu gehören, noch folgende Eigenschaften besitzen: eine kräftige Gesundheit, einen auserlesenen Takt, viel Geist, genug Vernunft, um seine Überlegenheit nur bei passenden Anlässen merken zu lassen, und endlich ein außerordentlich feines Gesicht und Gehör.
    Hätte er ein schönes Gesicht, einen hübschen Wuchs, ein männliches Aussehen – und bliebe er in seinen Leistungen hinter allen diesen Versprechungen zurück, so würde er zur Klasse der Prädestinierten gehören. Daher wäre ein häßlicher Mann, dessen Gesicht aber ausdrucksvoll ist, in der günstigsten Lage, um den Kampf mit dem Geiste des Bösen aufzunehmen, sobald seine Frau nur einmal seine Häßlichkeit vergessen hätte. Er wird sorgfältig darauf achten – und dies ist ein Umstand, den Sterne in seinem Brief vergessen hat – stets geruchlos zu sein, um keinen Widerwillen zu erregen. Daher wird er auch von den Parfüms – die unsere Schönen stets einem beleidigenden Verdacht aussetzen – nur einen mäßigen Gebrauch machen.
    Er wird sich in seinem Benehmen der größten Vorsicht befleißigen, wird in allem, was er sagt, sich der gewähltesten Ausdrücke bedienen, wie wenn er ein Courmacher der unbeständigsten Frau wäre. Für ihn hat ein Philosoph folgende Betrachtung angestellt:
    »Manche Frau hat sich für ihr Leben unglücklich gemacht, hat sich zugrunde gerichtet, hat sich entehrt für einen Menschen, den sie nachher nicht mehr liebte, weil er seinen Rock ungeschickt ausgezogen, einen seiner Nägel schlecht beschnitten, seinen Strumpf verkehrt angezogen oder sich beim Aufmachen eines Knopfes tölpelhaft benommen hat.«
    Eine seiner wichtigsten Aufgaben wird es sein, seiner Frau den wirklichen Stand seines Vermögens zu verbergen, um ihr alle möglichen Einfälle und Launen befriedigen zu können, wie freigebige Junggesellen es zu tun pflegen.
    Endlich – und dies ist schwierig, man bedarf dazu eines übermenschlichen Mutes – muß er den Esel, von dem Sterne spricht, vollkommen in seiner Gewalt haben. Dieser Esel muß ihm gehorchen, wie ein Leibeigener des dreizehnten Jahrhunderts seinem Herrn; muß ihm zu Willen sein und schweigen, muß auf den leisesten Wink gehen und stehen.
    Mit allen diesen Vorteilen ausgerüstet, wird ein Ehemann dennoch kaum mit Aussicht auf Erfolg den Kampf aufnehmen können. Wie alle andern läuft er immer noch Gefahr, für seine Frau nur eine Art verantwortlich zeichnenden Herausgebers zu sein. »Ei was!« werden hier einige gute Leutchen rufen, deren Horizont bei ihrer Nasenspitze endet – »ei was, muß man sich denn mit dem Lieben so viele Mühe machen? Müßte man wirklich, um in der Ehe glücklich zu sein, vorher in die Schule gehen? Wird wohl gar die Regierung für uns einen Lehrstuhl der Wissenschaft der Liebe errichten, wie sie neulich einen Professor für Staatsrecht angestellt hat?«
    Hierauf antworten wir:
    Diese mannigfaltigen, so schwer zu erkennenden Regeln, diese ins einzelne gehenden Beobachtungen, diese je nach den Temperamenten so veränderlichen Begriffe existieren bereits, sozusagen, im Herzen derer, die für die Liebe geschaffen sind, wie ein instinktmäßiger Geschmack und eine schwer zu erklärende Fähigkeit, Ideen zu kombinieren, sich in der Seele des Dichters, des Malers oder des Tonkünstlers finden. Männer, denen es irgendwie Schwierigkeiten machen würde, die in dieser Betrachtung gegebenen Regeln zu betätigen, sind von Natur Prädestinierte, wie ein Mensch, der die zwischen zwei verschiedenen Ideen bestehenden Beziehungen nicht zu bemerken vermag, ein Dummkopf ist. Ja die Liebe hat ihre unbekannten großen Menschen, wie der Krieg seine Napoleons, wie die Dichtkunst ihre André Chéniers und wie die Philosophie ihre Descartes hat!
    Diese letzte Beobachtung enthält den Keim einer Antwort auf die Frage, die seit langer Zeit alle Menschen sich stellen:

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