Physiologie der Ehe (German Edition)
ins Theater und dergleichen. Sobald ihr zusammen oder einzeln wieder in der Gesellschaft erscheint, sobald man euch beide als eifrige Besucher von Bällen, Festen und allen jenen eitlen Vergnügungen sieht, die den Zweck haben, über die Leere des Herzens hinwegzutäuschen – in diesem Augenblick erraten die Junggesellen, daß deine Frau dorthin geht, um Zerstreuungen zu suchen; also langweilt sie sich in ihrer Ehe, mit ihrem Ehemann.
Da weiß der Junggeselle, daß der halbe Weg bereits zurückgelegt ist. Da steht dir das Schicksal bevor, minotaurisiert zu werden, und deine Frau hat Neigung, inkonsequent zu werden: das heißt, in Wirklichkeit wird sie in ihrem Verhalten sehr konsequent sein, sie wird sich erstaunlich tiefe Gründe dafür zurechtlegen, und du wirst dir keinen Vers darauf machen. Von diesem Augenblick an wird sie dem Anschein nach gegen keine einzige von ihren Pflichten verstoßen; sie wird sich um so sorgfältiger mit den Farben der Tugend zu umkleiden suchen, als sie in Wirklichkeit keine Tugend mehr besitzt. Ach! sagte Crébillon,
muß man auch noch beerben,
die man mordet?
Niemals wirst du sie so sorgsam bemüht gesehen haben, dir zu gefallen. Für die geheime Wunde, die sie deinem Eheglück bereits zu versetzen plant, wird sie dich durch kleine Glückseligkeiten zu entschädigen suchen, aus denen du auf die Dauer ihrer Liebe schließest; daher das Sprichwort: »Glücklich wie ein Hahnrei!« Aber was sich begibt, hängt von dem Charakter der Frauen ab: entweder verachten sie ihre Gatten gerade deshalb, weil es ihnen gelingt, sie zu täuschen; oder sie hassen sie, wenn ihre Pläne von ihnen durchkreuzt werden; oder sie verfallen ihnen gegenüber in eine Gleichgültigkeit, die tausendmal schlimmer ist als der Haß.
Wenn die Sachen einmal so weit gediehen sind, ist das erste Erkennungszeichen an der Frau ein sehr häufiger Wechsel ihrer Stimmungen. Sie möchte sich selber entfliehen, kann es in ihrem Heim nicht aushalten; aber es ist dabei noch nicht jene Leidenschaftlichkeit von Ehegatten, die völlig unglücklich sind. Sie verwendet große Sorgfalt auf ihre Kleidung und sagt dabei, sie tue es dir zu Gefallen, um bei Festen und Belustigungen alle Blicke auf sich zu ziehen.
Ist sie wieder in der Langeweile ihrer Penaten, so siehst du sie manchmal traurig und nachdenklich, dann wieder lachend und fröhlich, wie wenn sie sich betäuben wollte; oder sie macht ein ernstes Gesicht wie ein Deutscher, der ins Gefecht zieht. Derartige häufige Stimmungsumschläge sind stets Anzeichen der von uns beschriebenen gefährlichen Periode des Schwankens.
Manche Frauen lesen Romane und ergötzen sich an den geschickten, stets abwechselnden Schilderungen einer Liebe, die mit Schwierigkeiten zu kämpfen hat, aber zuletzt doch triumphiert. Oder sie betreiben das Romanlesen, um sich in Gedanken an die Gefahren einer Liebesintrige zu gewöhnen.
Deine Frau wird davon sprechen, daß sie die höchste Achtung für dich hege. Sie wird sagen, sie liebe dich, wie man einen Bruder liebt; diese vernünftige Freundschaft sei die einzig wahre, die einzig dauerhafte, und der ganze Zweck der Ehe sei, solche Freundschaft zwischen den beiden Gatten herzustellen.
Sie wird sehr geschickt darauf aufmerksam machen, daß sie bis dahin nur Pflichten zu erfüllen hatte, und daß sie Anspruch darauf machen kann, auch Rechte auszuüben.
Sie prüft mit einer Kälte, die du allein genauer ermessen kannst, alle Einzelheiten des Eheglücks. Dieses Glück hat ihr vielleicht niemals besonders gefallen; übrigens bleibt es ja für sie stets da; sie kennt es, sie hat es in seine Einzelheiten zerlegt – und wie viele kleine, aber nichtsdestoweniger furchtbare Beweise bringen von jetzt an einen klugen Ehemann zu der Überzeugung, daß dieses zartbesaitete Wesen sich mit Beweis- und Vernunftgründen abgibt, anstatt sich vom Sturme seiner Leidenschaft fortreißen zu lassen!
LIX. Je mehr Urteil, desto weniger Liebe.
Nun hörst du von ihr jene Scherze, über die du zuerst lachst, jene Betrachtungen, die dich durch ihre Tiefe überraschen; nun bemerkst du jene plötzlichen Stimmungsumschläge, jene Launen eines hin und her schwankenden Geistes. Zuweilen wird sie plötzlich außerordentlich zärtlich, wie wenn sie ihre Gedanken und ihre Pläne bereute; zuweilen ist sie verdrießlich und unentzifferbar – mit einem Wort, es gilt jener Satz: › Varium et mutabile femina ‹, den wir bis dahin dummerweise aus der natürlichen Anlage der Frau
Weitere Kostenlose Bücher