Physiologie der Ehe (German Edition)
er sich leider nur an unschuldige Nonnen gewandt, deren Untreue der Ehre keines Mannes Abbruch tun konnte. Wenn eine Frau inkonsequent ist, so ist nach meiner Meinung ihr Mann minotaurisiert. Wenn er minotaurisiert und ein liebenswürdiger Mann ist, wenn er einer gewissen Achtung genießt – und viele Ehemänner verdienen wirklich, beklagt zu werden – dann sagen Sie, wenn Sie von ihm sprechen, mit sanfter Flötenstimme: ›Herr A. ist ein recht ehrenwerter Mann, seine Frau ist sehr hübsch, aber man behauptet, er sei nicht glücklich in seiner Häuslichkeit.‹ Also, meine Gnädige: der ehrenwerte, aber in seiner Häuslichkeit unglückliche Mann, der Mann, der eine inkonsequente Frau hat, oder der minotaurisierte Ehemann – sie alle sind ganz einfach Ehemänner, die Molière etwas derber bezeichnete. Nun, meine Göttin des modernen Geschmacks – scheinen Ihnen diese Ausdrücke züchtig und zugleich durchsichtig genug zu sein?«
»Ach mein Gott!« sagte sie lächelnd; »wenn die Sache bleibt, was kommt es darauf an, ob man sie in zwei Silben oder in hundert Silben ausdrückt!«
Sie machte mir eine leichte ironische Verbeugung und verschwand – ohne Zweifel, um sich zu einer jener Gräfinnen zu begeben, die in den Vorreden der Bücher vorkommen, oder zu einem jener metaphorischen Geschöpfe, die die Romanschreiber so oft gebrauchen, um alte Manuskripte zu dichten oder aufzufinden.
Nun aber zu euch, weniger zahlreiche, aber leibhaftigere Wesen, die ihr mich leset! Wenn es unter euch Leute gibt, die mit meinem Kämpen des Ehestandes gemeinsame Sache machen, so mache ich euch darauf aufmerksam, daß ihr nicht plötzlich und auf einmal unglücklich in eurer Häuslichkeit sein werdet. Zu dieser Ehetemperatur gelangt der Mann nur Grad um Grad und unmerklich. Viele Ehemänner sind sogar ihr ganzes Leben lang unglücklich in ihrer Häuslichkeit gewesen, ohne es zu wissen. Diese häusliche Umwälzung vollzieht sich stets nach bestimmten Regeln; denn die Umwälzungen des Honigmondes sind ebenso sicher wie die Phasen des Himmelsmondes und gelten für alle Ehen. Haben wir nicht nachgewiesen, daß die moralische Natur ihre Gesetze hat wie die physische?
Deine junge Frau wird niemals – wie wir schon an anderer Stelle ausführten – einen Liebhaber nehmen, ohne ernstliche Betrachtungen anzustellen. Im Augenblick, wo der Honigmond abzunehmen beginnt, hast du in ihr den Sinn für die Wonnen der Liebe nicht sowohl befriedigt, als vielmehr entwickelt; du hast ihr das Buch des Lebens aufgeschlagen, und gerade durch den Prosaismus deiner oberflächlichen Liebe wird ihr erst recht klar, welche Poesie aus dem Einklang der Seele und der Wollust entspringen muß. Wie ein schüchternes Vöglein, das noch durch den Lärm bereits verhallter Schüsse erschreckt ist, streckt sie das Köpfchen aus dem Nest, blickt um sich, sieht die Welt; sie errät die Lösung der Scharade, die du mit ihr aufgeführt hast, und fühlt instinktiv die Leere deiner welken Leidenschaft. Sie errät, daß sie nur noch bei einem Liebhaber das köstliche Gut der freien Willensbestimmung in der Liebe wiedererlangen kann.
Du hast grünes Holz getrocknet, womit ein anderer sein Feuer anzünden wird.
In der Lage, in der ihr beiden euch befindet, gibt es keine Frau, und selbst die allertugendhafteste nicht, die sich nicht einer großen Leidenschaft würdig gefunden und nicht von einer solchen geträumt hätte, und die sich nicht für sehr leicht entzündlich hielte – denn die Eitelkeit veranlaßt uns stets, die Kräfte eines besiegten Feindes höher anzuschlagen.
»Wenn es nur gefährlich wäre, eine anständige Frau zu sein, das möchte noch hingehen!« sagte eine alte Dame zu mir; »aber es ist langweilig, und ich habe niemals eine tugendhafte Frau getroffen, die nicht daran gedacht hätte, ihren Mann zu übertölpeln.«
Wenn die Dinge so weit gediehen sind – und zwar ehe auch nur irgendein Liebhaber sich eingefunden hat – geht eine Frau mit sich zu Rate, und erwägt sozusagen das Für und Wider, ob einen Liebhaber zu nehmen unerlaubt sei oder nicht; sie macht einen harten Kampf durch: es streiten sich in ihr die Pflichten, die Gesetze, die Religion und die geheimen Begierden einer Natur, die nur von dem Zügel gelenkt wird, den sie sich selber angelegt hat. Und nun treten für dich die Dinge in eine ganz neue Ordnung ein; es ist für dich die erste Warnung, die die Natur, diese milde und gute Mutter, allen Geschöpfen gibt, die von irgendeiner Gefahr
Weitere Kostenlose Bücher