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Physiologie der Ehe (German Edition)

Physiologie der Ehe (German Edition)

Titel: Physiologie der Ehe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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hinaus wie ein Schüler, der seine Strafaufgabe hergesagt hat. Mein alter Lehrer wiegte vergnügt den Kopf. Als er die Tür geschlossen sah, rieb er sich die Hände; wir plauderten vom Spanischen Krieg, und dann ging ich in die Rue de Provence; daß ich dem Anfang einer großen Lektion über eine der wichtigsten Fragen des Ehelebens beigewohnt hatte, ließ ich mir so wenig träumen, wie ich an die Eroberung von Konstantinopel durch General Diebitsch dachte. Ich kam bei meinem Gastgeber in dem Augenblick an, wo das Ehepaar sich zu Tisch setzte, nachdem es die von der allgemein hergebrachten Disziplin der Gastronomie verlangte halbe Stunde auf mich gewartet hatte. Es war, glaube ich, beim Öffnen einer Gänseleberpastete, als meine hübsche Wirtin in ungezwungenem Ton ihrem Mann sagte:
    »Alexander, wenn du recht liebenswürdig wärest, gäbest du mir das Paar Ohrgehänge, das wir bei Fossin gesehen haben.«
    »Da soll man sich verheiraten!« rief lachend mein Freund, indem er gleichzeitig aus seinem Notizbuch drei Tausendfrankenscheine zog, die er vor den blitzenden Augen seiner Frau hin und her schwenkte. »Ich widerstehe so wenig dem Vergnügen, sie dir anzubieten, wie du dem Vergnügen widerstehst, sie anzunehmen. Heute ist der Jahrestag unserer ersten Begegnung! Vielleicht werden die Diamanten dich daran erinnern.«
    »Pfui, du Unart!« sagte sie mit einem entzückenden Lächeln.
    Dann fuhr sie mit zwei Fingern in ihr Mieder, zog ein Veilchensträußchen hervor und warf es wie ein unartiges Kind meinem Freund an die Nase. Alexander gab ihr das Geld für die Ohrgehänge und rief:
    »Ich hatte die Blumen wohl gesehen!«
    Niemals werde ich die lebhafte Bewegung und die fröhliche Habgier vergessen, womit, wie eine Katze, die ihr Sammetpfötchen auf eine Maus legt, die kleine Frau die drei Banknoten ergriff; mit einem freudigen Erröten rollte sie sie zusammen und steckte sie an den Platz der Veilchen, die eben noch ihren Busen durchduftet hatten. Unwillkürlich mußte ich an meinen Mathematiklehrer denken. In diesem Augenblick sah ich zwischen seinem Schüler und ihm nur den Unterschied, der zwischen einem sparsamen Mann und einem Verschwender ist, und ich ließ mir nicht träumen, daß der anscheinend bessere Rechner von den beiden in Wirklichkeit am schlechtesten rechnete.
    Das Frühstück verlief in sehr fröhlicher Stimmung. Bald saßen wir in einem neueingerichteten kleinen Salon vor einem Feuer, dessen sanfte Wärme angenehm die Glieder durchströmte, sie den Frost vergessen ließ und Frühlingsahnungen in ihnen erweckte; als Gast glaubte ich mich verpflichtet, dem jungen Liebespaar ein Kompliment über die Einrichtung dieses kleinen Betzimmers zu machen.
    »Nur schade, daß die Geschichte so teuer ist!« sagte mein Freund; »aber das Nest muß doch des Vogels würdig sein! Aber zum Teufel auch, du wirst mir doch keine Komplimente machen über Vorhänge, die noch nicht bezahlt sind? Du störst mir meine Verdauung mit der Erinnerung, daß ich einem Türken von Tapezierer noch zweitausend Franken schuldig bin.«
    Bei diesen Worten überflog die Hausherrin mit den Augen die Einrichtung des hübschen Boudoirs, und ihr bis dahin strahlendes Gesicht wurde nachdenklich. Alexander ergriff meine Hand und zog mich in eine Fensternische.
    »Könntest du mir vielleicht zufällig so etwa tausend Taler leihen?« sagte er leise. »Ich habe nur zehn- bis zwölftausend Livres Rente, und dieses Jahr ...«
    »Alexander!« rief das reizende Geschöpf, ihren Mann unterbrechend, eilte auf uns zu und streckte ihm die drei Banknoten hin. »Alexander – ich sehe wohl, es ist eine Torheit ...«
    »Was fällt dir denn ein?« antwortete er; »behalte nur dein Geld.«
    »Aber liebes Herz, ich ruiniere dich ja! Ich müßte wissen, daß du mich zu sehr liebst, und daß ich mir darum nicht erlauben kann, dir alle meine Wünsche anzuvertrauen.«
    »Behalt es nur, Liebling! Es ist nun mal deine gute Beute. Bah! Ich werde diesen Winter spielen und werde es wieder gewinnen!«
    »Spielen ...!« sagte sie mit einem Ausdruck des Schreckens. »Alexander, nimm deine Banknoten wieder! Vorwärts, mein Herr, ich will es.«
    »Nein, nein!« antwortete mein Freund, indem er ihr weißes, zartes Händchen zurückschob; »gehst du nicht Donnerstag auf den Ball bei Frau von ...?«
    »Ich werde über deinen Wunsch nachdenken,« sagte ich zu meinem Kameraden.
    Und ich empfahl mich, indem ich seiner Frau eine Verbeugung machte; aber an der Szene, deren Anfang

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