Physiologie der Ehe (German Edition)
ich miterlebt hatte, sah ich wohl, daß meine anakreontischen Verbeugungen hier nicht viel Eindruck machen würden.
»Er muß verrückt sein,« dachte ich beim Gehen, »daß er von einem Studenten der Rechte tausend Taler leihen will!«
Fünf Tage darauf befand ich mich bei Frau von ..., deren Bälle anfingen, in die Mode zu kommen. Im glänzenden Durcheinander der Quadrillen bemerkte ich die Frau meines Freundes und die Frau des Mathematikers. Frau Alexander hatte ein entzückendes Kleid an, obwohl mit ein paar Blumen und mit weißem Musselin der ganze Aufwand bestritten war. Sie trug ein kleines Kreuz à la Jeannette an einem schwarzen Sammetbande, durch das die Weiße ihrer duftenden Haut gehoben wurde, und lange, spitz zulaufende Bommeln schmückten ihre Ohren. Am Halse der ›Frau Professorin‹ funkelte ein prachtvolles Diamantenkreuz.
»Das ist ja komisch!« sagte ich zu einem Menschen, der bis dahin weder in dem großen Buch der Welt gelesen, noch ein einziges Frauenherz enträtselt hatte.
Dieser Mensch war ich selber. Und wenn ich in diesem Augenblick Lust bekam, die beiden hübschen Frauen zum Tanze aufzufordern, so geschah es einzig und allein deshalb, weil ich einen Gesprächsstoff bemerkte, der meine Schüchternheit aufmunterte.
»Ah, gnädige Frau, Sie haben Ihr Kreuz bekommen?« sagte ich zur ersten.
»Aber ich habe es mir ehrlich verdient!« antwortete sie mit einem unbeschreiblichen Lächeln.
»Wie? Keine Ohrgehänge?« fragte ich die Frau meines Freundes.
»Ach!« sagte sie, »ich habe während des ganzen Frühstücks den Genuß davon gehabt! ... aber sehen Sie, schließlich habe ich Alexander doch bekehrt ...«
»Er hat sich wohl leicht verführen lassen?«
Sie sah mich mit einer triumphierenden Miene an.
Acht Jahre später erhob sich plötzlich in meiner Erinnerung diese Szene, die mir bis dahin nichts gesagt hatte; und im Schimmer der Kerzen, beim Funkeln der Brillantenfacetten sah ich deutlich die Moral der Geschichte. Ja, die Frau hat einen Abscheu davor, überzeugt zu werden; wenn man sie dagegen überredet, so gibt sie damit einer Verführung nach und bleibt in der Rolle, die von der Natur ihr zugewiesen ist. Wenn sie sich gewinnen läßt, so bedeutet das für sie, daß sie eine Gunst gewährt; aber logische Auseinandersetzungen regen sie auf, sind tödliches Gift für sie. Um sie zu lenken, muß man sich also der Macht zu bedienen wissen, die sie selber so oft zur Anwendung bringt: des Gefühls. Nicht in sich selber also, sondern in seiner Frau wird ein Ehemann die Elemente finden, auf die er seine unumschränkte Herrschaft begründen kann: man muß die Frau, wie den Diamanten, nur sich selber gegenüberstellen. Mit rechter Art Diamantenohrgehänge anzubieten, um sie sich wiedergeben zu lassen – das ist ein Geheimnis, das bei den geringsten Kleinigkeiten des Lebens entsprechende Anwendung finden kann.
Nun zu unserer zweiten Beobachtung!
›Wer ein Vermögen von einem Toman zu verwalten weiß, kann auch eins von hunderttausend Tomans verwalten,‹ sagt ein indisches Sprichwort. Ich gebe dieser asiatischen Weisheit einen weitern Sinn und sage: ›Wer eine Frau regieren kann, kann ein Volk regieren.‹ Zwischen diesen beiden Regierungsarten bestehen wirklich viele Ähnlichkeiten. Muß nicht die Politik der Ehemänner so ziemlich dieselbe sein, wie die der Könige? Wir sehen ja, wie diese das Volk zu amüsieren suchen, um ihm seine Freiheit zu stehlen; wie sie ihm einen Tag lang Speisen in Hülle und Fülle an den Kopf werfen, damit es den Hunger und die Entbehrungen eines ganzen Jahres vergessen möge; wie sie ihm predigen, es dürfe nicht stehlen, während sie selber es ausplündern; wie sie zu ihm sagen: Mich dünkt, wenn ich Volk wäre, so wäre ich tugendhaft!‹
Den Präzedenzfall, der für die verheirateten Männer in ihrer Ehe maßgebend sein muß, wollen wir uns aus England holen. Wer Augen hat, zu sehen, der hat bemerken müssen, daß von dem Augenblick an, wo in England das Prinzip der ›Gouvernementabilität‹ vollkommen ausgebildet worden ist, die Whigs nur sehr selten zur Regierungsgewalt gelangt sind. Stets ist einem liberalen Eintagskabinett ein lang dauerndes Torykabinett gefolgt. Die Redner der Nationalpartei gleichen Ratten, die sich die Zähne an einem verfaulten Brett stumpf nagen, womit man gerade in dem Augenblick, wo sie die in der königlichen Speisekammer verwahrten Nüsse und Speckseiten riechen, das Loch vernagelt. Die Frau ist die Whigpartei deiner
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