Physiologie der Ehe (German Edition)
angeblicher Verbrechen der Zauberei Frauen nackt auf Eseln reiten müssen, und mehr als eine Unschuldige ist an dieser Schmach gestorben. Hier liegt das Geheimnis, das die zukünftige Gesetzgebung der Ehe beachten muß. Die Mädchen von Milet entzogen sich der Ehe durch den Tod; der Senat verurteilt die Selbstmörderinnen, nackt auf einer Schleife durch die Straßen gezogen zu werden – und die Jungfrauen verurteilen sich zum Leben.
Die Frauen und die Ehe werden also in Frankreich nur Achtung finden, wenn die von uns verlangte durchgreifende Änderung unserer Sitten sich vollzieht. Dies ist der tiefe Gedanke, der die beiden schönsten Hervorbringungen eines unsterblichen Geistes beseelt. ›Emile‹ und die ›Neue Héloïse‹ sind nichts weiter als zwei begeisterte Verteidigungsreden zugunsten dieses Systems. Diese Stimme wird durch alle Jahrhunderte widerhallen, weil sie die wahren Beweggründe der Gesetze und Sitten künftiger Jahrhunderte ahnend erkannt hat. Indem er die Kinder ihren Müttern an die Brust legte, leistete Jean-Jacques bereits der Tugend einen unermeßlichen Dienst; aber sein Zeitalter war zu tief von der Verderbnis angefressen, um die hohen Lehren zu begreifen, die diese beiden Gedichte einschlossen; allerdings müssen wir hinzufügen, daß der Dichter den Sieg über den Philosophen davontrug, indem er in dem Herzen der verheirateten Julie Spuren ihrer ersten Liebe fortbestehen ließ; hierbei hat er sich durch eine poetische Situation verführen lassen, die zwar rührender, aber weniger nützlich war als die Wahrheit, die er erläutern wollte.
Wenn indessen in Frankreich die Ehe ein ungeheurer Rechtsvertrag ist, den die Menschen in stillschweigender Übereinkunft abgeschlossen haben, um den Leidenschaften mehr Duft und Eigentümlichkeit, um der Liebe mehr Geheimnis, den Frauen mehr Pikanterie zu verleihen, wenn eine Frau mehr ein Salonzierat, eine Modenpuppe, ein Mantelständer ist, als ein denkendes Wesen, dessen Aufgaben im politischen Leben sich mit der Wohlfahrt eines Landes, mit dem Ruhme eines Vaterlandes vereinigen ließe – ein denkendes Geschöpf, dessen Dienste es an Nützlichkeit mit denen der Männer aufnehmen könnten: dann gestehe ich, daß diese ganze Theorie, diese langen Betrachtungen angesichts einer so gewaltigen Bestimmung in sich zusammenfallen würden!
Aber jetzt haben wir das Mark des Vergangenen genügend ausgepreßt, um ein Tröpflein Philosophie zu erhalten; jetzt haben wir der vorherrschenden Leidenschaft unserer Zeit für das ›Historische‹ genügend gehuldigt – wenden wir unsere Blicke jetzt wieder auf die Gegenwart! Wir wollen die Schellenkappe wieder aufsetzen, wollen die Pritsche wieder zur Hand nehmen, aus der Meister Rabelais einst ein Zepter machte, und wollen in unserer Untersuchung fortfahren, ohne einem Scherz mehr Ernst beizumessen, als ihm zukommt, ohne mit ernsten Dingen mehr Spaß zu treiben, als sie vertragen.
Von den Verteidigungsmitteln im Innern und nach Außen
To be or not to be ...
Ehemannspolitik
Wenn ein Mann in die Lage gelangt, in der wir ihn im ersten Teil dieses Buches betrachtet haben, so nehmen wir an, daß der gewisse Gedanke, ein anderer besitze seine Frau, ihm noch Herzklopfen verursacht, und daß seine Leidenschaft aufflammen wird – entweder aus Eitelkeit oder aus Eigensucht, denn wenn er nicht mehr auf seine Frau hielte, wäre er ein höchst erbärmlicher Mensch und hätte sein Schicksal verdient.
In dieser langandauernden Krisis ist es für einen Ehemann sehr schwer, keine Fehler zu begehen; denn die meisten von ihnen verstehen von der Kunst, eine Frau zu lenken, noch viel weniger als von der Kunst, die rechte Wahl zu treffen. Dabei besteht die Ehemannspolitik eigentlich nur in der beständigen Anwendung dreier Grundsätze, die die Seele seines Verhaltens bilden müssen. Der erste: glaube niemals, was eine Frau sagt; der zweite: kümmere dich nicht um den Buchstaben, sondern suche stets in den Geist ihrer Handlungen einzudringen; der dritte: vergiß nicht, daß eine Frau niemals so geschwätzig ist, wie wenn sie schweigt, und daß sie niemals so energisch handelt, wie wenn sie ruht.
Von nun an gleichst du einem Reiter, der auf einem mutwilligen Pferde sitzt und stets zwischen dessen Ohren durchsehen muß, wenn er nicht aus dem Sattel geworfen werden will.
Aber die eigentliche Kunst liegt viel weniger in der Kenntnis der Grundsätze, als in der Art ihrer Anwendung: Dummköpfe in sie einzuweihen, das wäre dasselbe,
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