Physiologie der Ehe (German Edition)
Regierung. In der Lage, in der sie sich, wie wir gesehen haben, befindet, muß sie selbstverständlich mehr als ein Vorrecht des Mannes hinwegzuräumen trachten. Schließ deine Augen zu ihren Kabalen, laß sie ruhig ihre Kraft vergeuden, um die Hälfte der Stufen deines Thrones zu erklimmen; aber wenn sie das Zepter zu ergreifen glaubt, dann wirf sie zur Erde – ganz sacht und mit der allergrößten Anmut, ruf ihr dabei ›Bravo!‹ zu und laß ihr die Hoffnung auf einen demnächstigen Triumph. Die besonderen Feinheiten dieses Systems werden eine außerordentliche Verstärkung aller jener zur Zähmung deiner Frau dienenden Mittel sein, die du nach freier Wahl unserm Arsenal entnehmen kannst.
Dies sind die allgemeinen Grundsätze, die ein Ehemann befolgen muß, wenn er nicht in seinem kleinen Königreich Fehler begehen will.
Und jetzt wollen wir, trotz der Meinung der Minorität auf dem Konzil zu Mâcon – Montesquieu, der vielleicht die konstitutionelle Regierungsform vorausgeahnt hatte, hat allerdings irgendwo einmal gesagt, in Versammlungen sei der gesunde Menschenverstand stets aufseiten der Minderheit –, jetzt wollen wir annehmen, daß die Frau nicht nur einen Leib, sondern auch eine Seele hat, und wollen zunächst die Mittel betrachten, wie der Mann sich in moralischen Dingen zu ihrem Herrn machen kann. Das Schaffen des Gedankens – man mag sagen, was man will – ist edler als das des Körpers: wir geben daher der Wissenschaft den Vorrang vor der Küche, stellen die Bildung höher als die Hygiene.
Die Bildung in der Ehe
Sollen die Frauen eine wissenschaftliche Bildung erhalten oder nicht – das ist die Frage. Von allen Fragen, die wir bis jetzt behandelt haben, ist sie die einzige, die zwei Seiten, aber keine Mitte hat. Wissen und Unwissenheit, das sind die beiden unvereinbaren Ausgangspunkte dieses Problems, das gleichsam zwischen zwei Abgründen schwebt. Uns ist, als sähen wir Ludwig den Achtzehnten, wie er die Glückseligkeiten des dreizehnten Jahrhunderts und die unglücklichen Eigenschaften des neunzehnten gegeneinander aufrechnet. Im Mittelpunkt der Schaukel sitzend, die er so geschickt durch sein eigenes Gewicht in Bewegung zu setzen wußte, sieht er an dem einen Ende die fanatische Unwissenheit eines Laienbruders, die dumpfe Gleichgültigkeit eines Leibeigenen, die blitzenden Hufeisen der Pferde eines Bannerherrn; er glaubt zu hören: ›Frankreich und Montjoie Saint Denis!‹ Aber er wendet sich um und lächelt, als er den feierlichen Stolz eines Fabrikanten sieht, der zugleich Hauptmann in der Nationalgarde ist; als er das elegante Coupé eines Börsenagenten sieht, den einfachen Rock eines Pairs von Frankreich, der Journalist geworden ist und seinen Sohn auf die Polytechnische Schule schickt, und als er die kostbaren Stoffe, die Zeitungen, die Dampfmaschinen sieht. Und er trinkt seinen Kaffee aus einer Sèvrestasse, auf deren Grunde noch ein gekröntes N schimmert.
Zurück mit der Zivilisation! Zurück mit dem Gedanken! – so rufst du. Bildung muß dir an Frauen etwas Greuliches sein, und zwar aus dem in Spanien so deutlich erkannten Grunde, daß es leichter ist, ein Volk von Idioten zu regieren, als ein Volk von Gelehrten. Eine Nation von Dummköpfen ist glücklich: wenn sie kein Gefühl für die Freiheit hat, so kennt sie auch nicht deren Beunruhigungen und Gewitterstürme; sie lebt wie die Polypengehäuse; wie diese kann sie sich in zwei oder drei Bruchstücke spalten; jeder Bruchteil ist immer noch eine vollständige und lebenskräftige Nation, die der erste beste Blinde regieren kann, wenn er den Hirtenstab in der Hand hat.
Was bringt dieses menschliche Wunder zuwege? Die Unwissenheit: denn durch sie allein erhält sich der Despotismus; er braucht die Finsternis und das Schweigen. Nun ist, wie in der Politik, auch in der Ehe das Glück ein negatives Glück. Die Liebe, die die Völker für den König einer unumschränkten Monarchie empfinden, ist vielleicht weniger naturwidrig, als die Treue einer Frau gegen ihren Mann, wenn zwischen ihnen keine Liebe mehr besteht.
Nun wissen wir ja, daß bei dir in diesem Augenblick die Liebe schon einen Fuß auf die Fensterbank gesetzt hat. Du mußt also durchaus die heilsamen, strengen Maßregeln anwenden, durch die Herr von Metternich seinen Status quo aufrechterhält; aber wir raten dir, sie mit noch größerer Feinheit und Liebenswürdigkeit zur Anwendung zu bringen; denn deine Frau ist schlauer, als alle Deutschen zusammengenommen, und
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