Physiologie der Ehe (German Edition)
Eine verheiratete Frau macht es mit uns, wie die Bürger einer konstitutionellen Monarchie es mit einem König machen: da schafft man ihnen eine schöne Existenz in einem schönen Lande; da gibt eine Regierung sich eine riesige Mühe mit Gendarmen, Abgeordnetenkammern, einer Verwaltung und dem ganzen Apparat der bewaffneten Macht, um ein Volk nicht Hungers sterben zu lassen, um auf Kosten der Bürger die Städte mit Gas zu beleuchten, um allen ihren Untertanen die Sonnenwärme des fünfundvierzigsten Breitengrades zu verschaffen und um allen Leuten, mit Ausnahme der Steuereinnehmer, zu verbieten, Geldforderungen einzutreiben, um Wege zu pflastern, so gut es eben gehen will – nun, von allen diesen Vorzügen einer so schönen Utopie findet kein einziger Anerkennung! Die Bürger wollen etwas anderes! Ohne sich zu genieren, verlangen sie auch noch das Recht, nach freiem Belieben auf diesen Straßen herumgehen zu dürfen; sie wollen wissen, wo das Geld bleibt, das sie den Steuereinnehmern geben – mit einem Wort: der Monarch wäre genötigt, einem jeden ein kleines Teilchen von seinem Throne abzutreten, wenn er auf das Geschwätz einiger Kritiker hören oder auf gewisse dreifarbige Ideen eingehen müßte, eine Art von Hanswursten, die eine Truppe sogenannter Patrioten spielen läßt; und diese Patrioten sind lauter Erzgalgenstricke, die stets bereit sind, um eine Million eine anständige Frau oder um eine Herzogskrone ihre Gewissen zu verkaufen.«
»Herr Vicomte,« unterbrach ich ihn, »in diesem letzten Punkte bin ich vollkommen Ihrer Meinung; aber was werden Sie tun, um einer Antwort auf die berechtigten Forderungen einer Frau auszuweichen?«
»Mein Herr, ich werde tun ..., und ich werde antworten, was die Regierungen tun und antworten, die nicht so dumm sind, wie die Mitglieder der Opposition sie ihren Wählern schildern möchten. Zunächst würde ich feierlich eine Art Verfassung erlassen, auf Grund deren meine Frau für völlig frei erklärt wird. Ich erkenne in vollem Umfang ihr Recht an, kommen und gehen zu dürfen, woher und wohin sie will, zu schreiben, an wen sie will, und Briefe zu empfangen, um deren Inhalt ich mich nicht bekümmern darf. Meine Frau wird alle Rechte des englischen Parlaments haben: ich lasse sie sprechen, so viel sie will, lasse sie starke und energische Maßregeln beantragen und diskutieren, aber ohne daß sie sie zur Ausführung bringen kann, und nachher ... werden wir schon sehen!«
»Beim heiligen Joseph!« sagte ich bei mir selbst, »das ist einmal einer, der ebensogut wie ich selber die Wissenschaft der Ehe begriffen hat.« Um aber noch weitere Aufklärungen zu erhalten, antwortete ich laut: »Was Sie sehen werden, mein Herr? Sie werden sehen, daß Sie eines schönen Morgens gerade so gut ein Hahnrei sind wie irgendein anderer.«
»Mein Herr,« fuhr er ernst fort, »erlauben Sie mir erst, zu Ende zu sprechen. Wir haben da, was die großen Politiker eine Theorie nennen; aber sie wissen in der Praxis diese Theorie vollständig in Rauch aufgehen zu lassen; und die Minister verstehen noch besser als alle Advokaten der Normandie die Form an Stelle des Kerns der Sache zu setzen. Herr von Metternich und Herr de Pilat, zwei höchst bedeutende Männer, fragen sich seit langer Zeit, ob auch Europa bei gesundem Verstande ist, ob es träumt, ob es weiß, wohin es treibt, ob es jemals vernünftig gedacht hat – was doch für die große Menge, für eine Nation als Ganzes und für die Frauen ein Ding der Unmöglichkeit ist. Die Herren Metternich und Pilat sehen mit Entsetzen, daß in unserm Jahrhundert die Sucht nach Verfassungen herrscht, wie das vorhergehende durch die Philosophie und wie das Jahrhundert Luthers durch die Sehnsucht nach Abschaffung der Mißbräuche der römischen Religion beherrscht wurde; denn es hat wirklich den Anschein, als ob die Generationen Verschwörern gleichen, deren Handlungen alle auf ein Ziel hinarbeiten, nachdem sie ein gemeinsames Losungswort empfangen haben.
»Aber sie haben unrecht, wenn sie darob erschrecken, und nur dieses tadle ich an ihnen – denn sie haben völlig recht, daß sie die Macht ausüben wollen, ohne daß eines schönen Tages die Bürgersleute aus allen Winkeln ihrer sechs Königreiche hervorkommen, um sie zu ärgern. Wie ist es möglich, daß so bedeutende Männer nicht die tiefe Moral herausgefunden haben, die das konstitutionelle Possenspiel enthält, und daß sie nicht sehen, daß es die allerklügste Politik ist, dem Jahrhundert einen
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