Physiologie der Ehe (German Edition)
Knochen zum Benagen zu lassen? In bezug auf die Souveränität denke ich vollkommen wie sie. Eine ›Regierungsgewalt‹ ist ein moralisches Wesen, das an seiner Erhaltung ein ebenso großes Interesse hat, wie ein Mensch an dem seinigen. Das Gefühl der Erhaltung wird durch einen Hauptgrundsatz gelenkt, der sich in drei Worten ausdrücken läßt: nur nichts verlieren! Um nichts zu verlieren, muß man wachsen oder unendlich groß bleiben; denn eine Regierungsgewalt, die stillsteht, ist so gut wie gar keine. Wenn sie Rückschritte macht, ist sie keine Gewalt mehr, sondern wird durch eine andere Gewalt fortgerissen. Ich weiß so gut wie jene Herren, in welcher falschen Lage eine unbeschrankte Gewalt bleibt, die ein Zugeständnis macht: sie läßt in ihrer Existenz eine andere Gewalt entstehen, die ihrem Wesen nach danach streben muß, größer zu werden. Notwendigerweise muß die eine Gewalt die andere vernichten, denn jedes Wesen strebt nach der größtmöglichen Entwicklung seiner Kräfte; eine Gewalt macht also niemals Zugeständnisse, ohne zu versuchen, sie wieder zurückzunehmen. Auf diesem Kampf zwischen den beiden Gewalten beruhen unsere Regierungen, deren Spiel ganz ohne Grund dem Patriarchen der österreichischen Diplomatie Furcht einflößt; denn wenn man Komödie mit Komödie vergleicht, so ist die ungefährlichste und einträglichste die von England und Frankreich gespielte Komödie. Diese beiden Vaterländer haben zum Volk gesagt: ›Du bist frei!‹ Und das Volk ist damit zufrieden gewesen; es bildet für die Regierung eine Menge Nullen, die dem Einer Wert verleihen. Will aber das Volk unruhig werden, so führt man mit ihm die Mahlzeit Sancho Pansas auf, wobei der zum Beherrscher einer Festlandsinsel beförderte Schildknappe zu essen versuchte. Diese wunderbare Szene sollten wir Männer alle in unserer Häuslichkeit nachahmen. So hat denn also meine Frau wohl das Recht, auszugehen, aber sie muß mir erklären, wohin sie geht, ob zu Fuß oder im Wagen, aus welchem Anlaß sie geht und wann sie wiederkommen wird. Doch stelle ich diese Fragen nicht mit der Brutalität unserer Polizei – die ohne Zweifel eines Tages besser sein wird – sondern ich bediene mich dabei mit aller Sorgfalt der liebenswürdigsten Formen. Auf meinen Lippen, in meinen Augen, in meinen Gesichtszügen erscheinen abwechselnd Neugier und Gleichgültigkeit, Ernst und Scherz, Widerspruch und Liebe. Es sind für uns kleine Ehestandsszenen voller Geist, Feinheit und Anmut, die zu spielen ein großes Vergnügen ist. An dem Tage, an dem ich meiner Frau ihren Kranz von Orangenblüten vom Kopf nahm, begriff ich, daß wir, wie bei einer Königskrönung, die ersten scherzhaften Auftritte einer langen Komödie gespielt hatten. – Ich habe Gendarmen! Ich habe meine Königsgarde, ich habe meine Oberstaatsanwälte, jawohl!« fuhr er mit einer Art von Begeisterung fort. »Denken Sie, ich dulde jemals, daß meine Frau Gemahlin zu Fuß ausgeht, ohne von einem Lakaien in Livree begleitet zu werden? Zeugt das nicht vom allerbesten Ton? Dabei rechne ich gar nicht, wie angenehm es für sie ist, überall sagen zu können: ›Ich habe Dienerschaft.‹ Aber mein konservatives Prinzip hat vor allen Dingen darin bestanden, mit den Ausgängen meiner Frau stets meine eigenen zu verbinden, und seit zwei Jahren habe ich ihr zu beweisen gewußt, daß es für mich ein ewig neues Vergnügen sei, ihr den Arm zu bieten. Wenn das Wetter zum Gehen zu schlecht ist, versuche ich, sie mit Eleganz ein munteres Pferd lenken zu lehren – aber ich schwöre Ihnen, ich richte das so ein, daß sie es nicht so bald lernen wird! Sollte sie zufällig, oder weil sie es ausdrücklich will, ohne Paß entschlüpfen wollen, das heißt in ihrer Equipage und allein, so habe ich ja doch einen Kutscher, einen Heiducken, einen Reitknecht. So kann also meine Frau gehen, wohin sie will, sie hat eine ganze heilige Hermandad bei sich, und ich bin vollkommen ruhig. Und, mein werter Herr, wie viele Mittel besitzen wir nicht, die Konstitution der Ehe durch die Praxis und den Buchstaben durch die Auslegung aufzuheben. Ich habe bemerkt, daß mit den Sitten der hohen Gesellschaft ein Müßiggang verbunden ist, der die Hälfte von dem Leben einer Frau verschlingt, ohne daß sie überhaupt merkt, daß sie lebt. Ich für mein Teil habe den Plan gefaßt, auf geschickte Weise meine Frau bis ans vierzigste Jahr zu führen, ohne daß sie an Ehebruch denkt – wie der selige Musson sich den Spaß machte, einen
Weitere Kostenlose Bücher