Picasso kann jeder
Entsprechende Diskussionsthemen in der Gruppe der Jugendlichen führen zu Feindseligkeit und Ablehnung.
Die Liste der Denkverbote ist mittlerweile länger, als man denkt, und ich erwähne hier einige, um zu zeigen, wo sich jemand, der sich als kreativ versteht, von bestimmten Denkgrenzen und Gedankentabus freimachen könnte.
Ist eine Liberalisierung der Selbsttötung in einer alternden Gesellschaft wünschenswert?
Hat der Klimawandel natürliche Ursachen?
Müssten nicht wesentlich weniger Menschen auf der Erde leben, wenn eine Ernährungskatastrophe abgewendet werden soll?
Sind die Ausländer in den Industrieländern eigentlich dankbar für die Chance eines besseren Lebens, das ihnen geboten wird?
Sollten Gesundheitsleistungen im Alter rationalisiert werden?
Hält Liebe nur einige Monate?
Wenn man die Überzeugungen der Vergangenheit untersucht, kann man feststellen, dass vieles, was man für falsch hielt, richtig war, und umgekehrt. Viele Behauptungen wurden einfach aufgestellt, ohne dass sie zutrafen wie z. B.:
Onanie ist gesundheitsschädlich.
Zum Umgang mit Säuglingen (im »Dritten Reich«): Kinder soll man schreien lassen.
Homosexualität ist eine schwere Charakterdeformation.
Die Erde ist eine Scheibe – überhaupt gegenteilige Wahrnehmungserfahrungen gab es immer schon in der Geschichte.
Menschen werden dick, weil sie zu viel essen.
Der Urlaub ist die schönste Zeit des Jahres.
Demokratie ist eine stabile Regierungsform.
Säuglinge können noch keine Schmerzen empfinden.
Viele Dinge werden oder wurden geleugnet, obwohl sie zutreffen:
Es gibt Marskanäle.
Es gibt andere Planeten neben der Erde.
Die Erde ist rund .
Die Schönheit spielt für den Lebenserfolg eine große Rolle.
Soziale Anpassung ist erfolgreicher als sozialer Widerstand.
Die Medien finden für die Sachverhalte in der Welt verschleiernde Begriffe, z.B. »Kinderarmut«. Diese wollen wir natürlich nicht. Handelt es sich bei Kinderarmut um eine Vernachlässigung durch die Eltern, weil sie ihren Kindern keine Schulbücher kaufen und keine Schulbutterbrote mitgeben? Und handelt es sich nicht um ein weiteres Denkverbot, das sich zeigt, wenn ein solches Fehlverhalten von Eltern nicht angeprangert wird? Viele Denkspuren sind so eingeschliffen, dass kaum jemandem mehr auffällt, wie sehr diese bereits verinnerlicht sind. Gerade weil die Gedanken sich auf den immergleichen Bahnen bewegen, erkennt man sie kaum und kann sich ihrer nicht mehr bewusst werden.
Neulich las ich einen Kommentar des bewährten Querdenkers Wolfgang Clement, des früheren Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen und Wirtschafts- und Arbeitsministers, zur Bildungspolitik. Er forderte, die Lehrer sollten mehr Achtung vor den Schülern haben, durchaus zu Recht. Umgekehrt könnte man auch feststellen: Was wäre, wenn die Schüler mehr Achtung vor den Lehrern hätten? Was wäre übrigens wichtiger? Oder wäre überhaupt mehr gegenseitige Achtung das Richtige?
Übung: Achten Sie einmal auf Informationen, die allem widersprechen, was Sie bisher gedacht haben, und nehmen diese bewusst auf: Lesen Sie z.B. Artikel einer Zeitung, die nicht Ihrer Grundeinstellung entspricht.
Denkschranken können verschiedene Ursachen haben, von denen ich hier einige aufzählen möchte:
Unsicherheit: Wenn man politisch Korrektes sagt oder etwas, das den religiös-moralisch anerkannten Grundanschauungen entspricht, hat man ja automatisch recht. Wer sich also in der Debatte mit anderen ein wenig unsicher fühlt und oft durch besserwisserische Mitmenschen beleidigt wird, der könnte sich einfach auf das politisch und moralisch Korrekte zurückziehen.
Aggressionshemmung: Vielleicht haben Sie in der Kindheit schlechte Erfahrungen mit Aggressionen gemacht. In jedem Witz liegt immer auch ein Quäntchen Aggression. Jede Erfindung ist ja auch eine Kritik am Altbewährten, das ja anscheinend irgendwie falsch oder verbesserungswürdig ist. (Der Ökonom Joseph Schumpeter [1883 – 1950] spricht von der »schöpferischen Zerstörung«.) Wenn man sich also angewöhnt hat, ganz besonders angepasst und freundlich zu sein, wird die eigene Auffassungs- und Lebensweise durch Kreativität gefährdet. Das kann einem nicht gefallen. Menschen ohne gelegentliche Wut und Aggressionen kann es aber nicht geben. Zu diesen so ursprünglichen Gefühlen müssen Sie wieder einen Weg finden.
Hemmung der natürlichen Neugier: Freud stellte die These auf, die kindliche Neugier werde entmutigt, weil das Kind keine echten Antworten
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