Picasso kann jeder
Vorbedingungen.
1. Man muss ein solches Problem mit sich herumtragen und oft und viel darüber nachgedacht haben. Nur dann sind die unbewussten Prozesse so weit angeregt, dass eine Lösungssuche im Unbewussten stattfinden kann.
2. Man muss grundsätzlich träumen und sich dann daran erinnern können. Menschen, denen das nie gelingt, werden es im Dienste der Lösungssuche dann auch nicht können.
3. Man muss anfangen, alle Träume direkt nach dem Aufwachen auf einen Block zu schreiben.
Wenn diese drei Bedingungen erfüllt sind, kann man seinen Träumen vor dem Einschlafen eine Aufgabe stellen. Zum Beispiel so: »Liebe Träume, könnt ihr mir nicht eine Lösung für dieses Problem zeigen?« Dann heißt es abwarten. Man könnte sich die Aufgabe auch bildhaft stellen, was dem Format der Träume besser entspricht: Man stellt sich vor dem Einschlafen vor, wie man in eine riesige Bibliothek kommt, in der man nach einiger Suche ganz überraschend nach einem Buch greift, in dem die gesuchte Idee niedergeschrieben oder abgebildet ist.
In den Phasen vor dem Einschlafen und vor dem Aufwachen (hypnagoge Zustände) überlappen sich bewusste und unbewusste Denkvorgänge; auch da kann es zu kreativen Impulsen kommen. Der Maler Max Klinger (1857 – 1920) berichtet, er habe die Entwürfe seiner Bilder immer im Aufwachen in voller Klarheit vor sich gesehen.
In Bildern denken
Denken ist ganz oft eine Manipulation von visuellen Vorstellungen oder räumlichen Relationen. Deshalb kommt es dem Denken außerordentlich entgegen, wenn man sich Aufgaben visuell-räumlich vorstellen kann oder im Lösungsprozess immer wieder versucht, Visualisierungen einzusetzen. Wie schon mehrfach erwähnt, kamen große Erfindungen anhand von visuellen Modellen zustande.
Nehmen wir eine ganz einfache Aufgabe: Sie sollen sagen, wer die größte der folgenden vier Frauen ist. Erna ist größer als Emma, Emma ist größer als Lilly, und Lilly ist kleiner als Erika. Im Kopf ist die Aufgabe schwer zu lösen. Wenn Sie aber die Frauen der Reihe nach und nach ihrer relativen Größe aufzeichnen, ist es kinderleicht. Dann nämlich wird das Kurzzeitgedächtnis entlastet, und die Lösung ist direkt ablesbar.
Es gibt einige wenige Menschen, deren Denken in ganz besonderem Maße visuell ist, das sind die Eidetiker. Der russische Physiologe Luria hat einen ausführlichen Bericht über die Gedächtnis- und Denkleistungen des Eidetikers Solomon Shereshevsky (1886 – 1958) verfasst. Dabei ist interessant, wie das bildhafte Denken Shereshevskys bei schwierigen Problemlöseaufgaben zu überraschend einfachen Lösungsprozeduren führte. Ein Beispiel (Luria 1995, S. 212):
Ein befreundeter Mathematiker stellte ihm folgende Aufgabe: Stell dir vor, man umspannt die Erde mit einem Seil. Wenn man dem Seil nun einen Meter hinzufügt, wie weit ist das Seil nun von der Oberfläche der Erde entfernt? (Fast jeder würde nun versuchen, mit komplizierten Verrechnungen von Umfang und Radius eine Lösung zu finden. Sereshevsky ging anders vor. Zunächst reduzierte er das Problem auf eine »menschliche« Größe: Er sah im Zimmer eine Kiste und stellte sich vor, wie er die Kiste mit einem Seil umspannt und einen Meter hinzufügt, indem er an jeder der vier Ecken 25 Zentimeter zugibt. Als er das in seiner Vorstellung tat, begriff er, dass ganz unabhängig von der Größe der Kiste bei der Zugabe von einem Meter immer 25 Zentimeter überstehen. Nun rückte er die Kiste in die Mitte des Seils, dann hatte sie rechts und links und oben und unten je einen Abstand von 12,5 Zentimetern. Anschließend nahm er von der Kiste einfach die Ecken weg und machte sie zu Rundungen. Damit hatte er die Lösung gefunden: Der Abstand des Seils von der Erde ist 12,5 Zentimeter!
Man kann das Denken in Bildern nicht allein für solche mathematisch-logischen Probleme gewinnbringend einsetzen, sondern auch für allgemeine Lebensaufgaben, Lebensprobleme. Zunächst muss man sein Problem eben in ein Bild umsetzen. Die Frage muss lauten: Wie würde ein Maler es darstellen?
Nehmen wir eine Problematik, die in meiner therapeutischen Praxis auftrat. Nach einer kurzen Phase der Bekanntschaft wollte ein schon älteres Paar heiraten, auch weil, zur großen Freude und Überraschung der beiden, ein Kind unterwegs war. Allerdings kam es jetzt immer häufiger zu heftigen Streitgesprächen, bei denen keiner der beiden nachgeben wollte, so dass man sich eine Reihe Themen verboten hatte, ja sogar schon an der gemeinsamen
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