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Picknick auf dem Eis (German Edition)

Picknick auf dem Eis (German Edition)

Titel: Picknick auf dem Eis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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sein?«
    »Du hast nicht begriffen«, sagte Mischa ruhig und belehrend. »Du und ich, wir haben die unterste Karte eines Kartenhauses gezogen. Alles, was danach passiert ist, das ist bloß der Einsturz. Jetzt muß man abwarten, bis sich der Staub gelegt hat…«
    »Ich auch?« fragte Viktor erschrocken.
    Mischa zuckte mit den Schultern.
    »Das muß jeder für sich selbst entscheiden«, er schenkte sich nach. »Aber du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Anscheinend wirst du gut beschützt… Deshalb bin ich auch zu dir gekommen…«
    »Von wem beschützt?«
    Mischa winkte ab.
    »Ich habe nicht gesagt, daß ich das genau weiß. Ich fühle es einfach. Wenn du keinen besonderen Schutz hättest, wärst du schon längst futsch…«
    Mischa schien angestrengt nachzudenken.
    »Kann ich dich um einen Gefallen bitten?« fragte er nach einer Minute.
    Viktor nickte.
    »Geh schlafen, ich bleib hier noch ein bißchen sitzen… Ich muß nachdenken…«
    Viktor ging ins Schlafzimmer und legte sich hin. Aber er war nicht müde. Er horchte auf die Stille in der Wohnung, die durch nichts unterbrochen wurde. Anscheinend schliefen alle tief und ruhig. Plötzlich drang aus dem Wohnzimmer eine undeutliche Kinderstimme. Viktor horchte. »Mama… Mama…«, murmelte Sonja im Schlaf.
    ›Ja, richtig, wo ist überhaupt ihre Mutter?‹ dachte Viktor.
    Schließlich schlief er ein.
    Nach einiger Zeit kroch der Pinguin hinter dem dunkelgrünen Sofa hervor und watschelte träge zur angelehnten Wohnzimmertür. Er durchquerte das Zimmer, blieb einen Augenblick neben dem schlafenden Mädchen stehen, betrachtete es aufmerksam und setzte seinen Weg fort über den Flur, stupste die nächste Tür an und kam in die Küche.
    Vor ihm saß ein fremder Mensch auf dem Platz seines Herrchens und schlief mit dem Kopf auf der Tischplatte.
    Der Pinguin stand regungslos auf der Türschwelle und beobachtete ihn einige Minuten. Dann drehte er sich um und watschelte zurück.
    24
     
    Die Uhr auf dem Hocker zeigte sieben. Auf der Straße war es noch dunkel und ruhig. Viktor wachte durch Kopfschmerzen auf, er lag auf dem Rücken, starrte an die Decke und dachte über das gestrige Gespräch mit Mischa nach. Jetzt hatte er trotz seiner Kopfschmerzen doch einige Fragen an den abendlichen Besucher.
    Viktor stand langsam auf und gab sich Mühe, keinen Lärm zu machen. Er zog den Morgenmantel über und ging ins Wohnzimmer.
    Sonja schlief noch. Sie war sorgfältig in Viktors langen Wintermantel eingewickelt, der vorher im Flur gehangen hatte.
    Er faßte sich ein Herz, ging in den Flur und blieb vor der offenen Küchentür stehen.
    In der Küche war niemand. Auf dem Tisch lag ein Zettel.
    Ich muß weg. Lasse Sonja bei dir. Du haftest für sie mit deinem Kopf. Wenn der Staub sich gelegt hat, komme ich wieder. Mischa.
    Die Nachricht auf dem Zettel überrumpelte ihn völlig. Er setzte sich an den Tisch, starrte auf die handgeschriebenen Zeilen und versuchte, die Mischa nicht gestellten Fragen zu verdrängen.
    Draußen dämmerte es schon. Ein fahler Wintermorgen versuchte die Nacht zu besiegen.
    Im Wohnzimmer quietschte das Sofa, und dieses Geräusch riß Viktor aus seinen Gedanken. Er drehte sich um, stand auf und guckte ins Zimmer.
    Sonja saß auf dem Sofa und rieb sich die Augen. Schließlich ließ sie die Hände sinken, erblickte Viktor und fragte: »Wo ist Papa?«
    »Papa ist weggegangen…«, antwortete Viktor und sah das Mädchen an. »Er hat gesagt, daß du eine Weile hier wohnen sollst…«
    »Mit dem Pinguin?« fragte Sonja erfreut.
    »Ja«, antwortete Viktor ziemlich kühl.
    »Bei uns haben sie gestern die Fenster eingeschmissen…«, erzählte Sonja. »Und dann war es sehr kalt.«
    »Bei euch zu Hause?« fragte Viktor.
    »Ja«, plauderte das Mädchen vertraulich. »Es hat ganz laut gekracht… Bum-bum!«
    »Willst du was essen?« fragte Viktor.
    »Ja, aber keine Grütze!«
    »Ich habe gar keine Grütze«, gestand er. »Ich esse überhaupt sehr wenig.«
    »Ich auch«, lächelte Sonja. »Wohin gehen wir heute?«
    »Wohin wir gehen?« wiederholte Viktor und überlegte. »Ich weiß nicht… Wohin möchtest du denn gern?«
    »In den Zoo!« rief Sonja.
    »Gut, ich muß nur erst zwei Stunden arbeiten, und dann gehen wir«, erklärte sich Viktor bereit.
    25
     
    Zum Mittagessen gab Viktor dem Pinguin Fisch, und für sich und Sonja machte er Bratkartoffeln.
    »Morgen kaufe ich mehr zu essen«, versprach Viktor Sonja.
    »Ich esse gar nicht mehr«, sagte das Mädchen, während es

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