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Picknick auf dem Eis (German Edition)

Picknick auf dem Eis (German Edition)

Titel: Picknick auf dem Eis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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bißchen kurz, weil er sich schon lange keine ergänzenden Informationen mehr von Fjodor geholt hatte. Aber das war kein Problem. Solange der Text nicht gedruckt war, konnte man weiter an ihm arbeiten.
    Als er seinen Tee ausgetrunken hatte, knipste er das Licht in der Küche aus und wollte gerade schlafen gehen, als er ein Klopfen an der Tür hörte.
    Einen Moment lang stand er bewegungslos im Flur und horchte in die Stille. Dann schlüpfte er aus seinen Pantoffeln, schlich barfuß zur Tür und sah durch den Spion. Vor der Tür stand Mischa-Nicht-Pinguin.
    Viktor öffnete.
    Auf Mischas Arm schlief Sonja. Er kam schweigend herein. Statt zu grüßen, nickte er nur.
    »Wo kann ich sie hinlegen?« fragte Mischa und betrachtete seine Tochter.
    »Ins Wohnzimmer«, flüsterte Viktor.
    Mischa legte Sonja auf das Sofa und kehrte auf Zehenspitzen in den Flur zurück.
    »Gehen wir in die Küche!« sagte er zu Viktor.
    Der knipste das Licht wieder an.
    »Setz Teewasser auf!« sagte Mischa.
    »Es ist noch siedend heiß«, antwortete Viktor.
    »Ich bleibe bis morgen früh hier bei dir…«, sagte Mischa ein bißchen gehemmt. »Und Sonja soll erst mal hier wohnen… Okay? Nur bis sich alles gelegt hat…«
    »Was soll sich legen?« fragte Viktor.
    Aber er bekam keine Antwort. Sie saßen sich am Küchentisch gegenüber, nur daß Mischa auf Viktors Lieblingsplatz saß und Viktor mit dem Rücken zum Herd. Einen Augenblick lang schien es Viktor, als sähe er in Mischas Augen etwas Feindseliges aufblitzen.
    »Vielleicht einen Kognak?« schlug Viktor vor, der die Spannung abbauen wollte, die wie eine Wolke über ihnen hing.
    »Gern«, sagte der Gast.
    Viktor schenkte sich und Mischa ein. Sie tranken schweigend.
    Mischa trommelte tief in Gedanken versunken mit den Fingern auf den Tisch. Als er neben sich auf dem Fensterbrett den Stapel Zeitungen vom heutigen Tag entdeckte, zog er sie zu sich heran, nahm die oberste, sein Gesicht verzerrte sich. Er schob die Zeitungen zurück auf das Fensterbrett.
    »Das Leben ist komisch«, sagte er und seufzte. »Da willst du einem Menschen was Gutes tun, und zum Schluß mußt du selber U-Boot spielen…«
    Viktor hörte seinem Gast aufmerksam zu, aber der Sinn des Gesagten blieb ihm so unfaßbar wie ein im Wind schwankendes Spinnennetz.
    »Gieß uns noch ein Gläschen ein«, bat Mischa.
    Nach dem zweiten Glas ging er auf den Flur, schaute ins Zimmer, in dem Sonja friedlich auf dem Sofa schlief, und kam in die Küche zurück.
    »Du willst sicher wissen, was passiert ist?« fragte Mischa langsam, in sanfterem Ton und sah Viktor an.
    Viktor schwieg. Er wollte nichts mehr wissen, er wollte schlafen, und das merkwürdige Verhalten von Mischa-Nicht-Pinguin begann ihm lästig zu werden.
    »Über die Schießerei und die Explosionen hast du ja gelesen?« begann er mit einem Blick auf die Zeitungen.
    »Ja und?«
    »Weißt du, wer schuld daran ist?«
    »Wer?«
    Ein müdes, ungutes Lächeln huschte über Mischas Gesicht.
    »Du…«
    »Ich? Wieso ich?«
    »Natürlich nicht nur du… Aber ohne dich wäre das nicht passiert…« Mischa sah Viktor ohne jedes Augenzwinkern an, und Viktor kam es so vor, als wenn er durch ihn hindurch irgendwohin ins Weite guckte. »Es ging dir damals beschissen, das habe ich gemerkt. Ich habe dich gefragt, warum, und du hast mir alles erzählt. Du warst ganz offen zu mir. Und genau diese kindliche Offenheit gefällt mir an dir… Du wolltest, daß deine ›Kunststückchen‹ mit Trauerbalken drumherum gedruckt würden. Verständlich. Ich habe dich gefragt, wer dein Lieblingstoter ist… Man wollte dir einfach was Gutes tun. – Gib uns noch einen.«
    Viktor stand auf und schenkte Mischa und sich ein.
    »Willst du damit sagen…«, begann er verdutzt , »daß du Jakornitzkij… ?«
    »Nicht ich, sondern wir«, korrigierte ihn Mischa. »Aber mach dir keine Sorgen, er hatte es mehr als verdient… ’ne andere Sache ist, daß mit seinem Tod einige Privatisierungswillige ›verwaist‹ sind, von denen er Vorschüsse genommen hatte… Außerdem hat er gewisse Papiere im Safe, mit denen er sich Sicherheit erkaufen und sein Leben verlängern wollte, und die betreffen leider seine Parlamentskollegen… Die haben wirklich kein leichtes Leben… Fast wie im Krieg…«
    Die darauf folgende Pause zog sich hin. Mischa sah aus dem Fenster. Viktor dachte fieberhaft über das gerade Gehörte nach.
    »Hör mal«, sagte Viktor schließlich, »und am Tod seiner Geliebten soll ich auch… beteiligt

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